Mit blanken Brüsten protestiert die Organisation Femen am Rande des
Eröffnungsspiels in Warschau gegen Sextourismus und die Fußball-EM.
Polizisten tragen die Ukrainerinnen weg. Aber bis zum Finale in Kiew
drohen die jungen Frauen noch mit «einer Menge Krawall».
Kiew (dpa) - Vier halbnackte Frauen gegen zwölf Polizisten: Es ist
ein ungleicher Kampf am Rande des EM-Eröffnungsspiels in Warschau.
Schreiend protestiert die junge Ukrainerin, als die polnischen
Sicherheitskräfte sie vor dem Stadion durch eine Traube von Fans und
Fotografen davontragen. Eine ebenfalls barbusige Kollegin reckt kurz
ein Plakat mit der Aufschrift «Fuck Euro 2012» in die Höhe, dann wird
auch sie abgeführt. Noch bevor am Freitag im Nationalstadion das
Spiel von Co-Gastgeber Polen gegen Griechenland (1:1) zu Ende ist,
sorgt der ungewöhnliche Protest für Aufregung. «Klarer Erfolg»,
kommentiert in Kiew die Bewegung Femen die Aktion.
Seit 2008 kämpfen die Aktivistinnen der ukrainischen Organisation
mit klaren Worten und nackten Brüsten für mehr Demokratie im
Co-Gastgeberland der Europameisterschaft. Die Frauen protestieren
gegen die aus ihrer Sicht zunehmend autoritäre Politik des seit zwei
Jahren regierenden Präsidenten Viktor Janukowitsch, vor allem aber
gegen Menschenhandel und Prostitution in der Ex-Sowjetrepublik. Ihr
wichtigster Gegner heißt aktuell aber Fußball. Die vierwöchige EM
locke Tausende Sextouristen an, fürchtet die Gruppe - und das in ein
Land mit der höchsten HIV-Ansteckungsrate in Europa. Bis zum
EM-Finale am 1. Juli in Kiew wollen sie «sehr viel Krawall» machen.
Femen sieht sich im Kampf gegen eine Welt, in der Männer die Macht
haben, wie Chefin Anna Guzol (27) sagt. Die Ukraine ist als
Schlachtfeld dabei nicht mehr groß genug. In Zimmermädchen-Outfits
protestierten die Frauen im vergangenen Oktober in Paris vor dem Haus
von Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn, und beim Weltwirtschaftsforum
in Davos sowie auf dem Petersplatz in Rom schrien sie mit entblößten
Brüsten Parolen gegen häusliche Gewalt. Konkreter Erfolg ist nicht
messbar, aber die Bilder waren am nächsten Tag weltweit in vielen
Zeitungen. «Unsere Brüste sind unsere Waffen», sagt Aktivistin Inna
Schewtschenko (21). «Wir sind eine kleine Armee, aber eine starke.»
Der Kampf ist nicht ohne Risiko. Da die ukrainischen Behörden die
Organisation nicht als politische Gruppierung anerkennen, werden die
Frauen immer wieder «wegen Ruhestörung» festgenommen. Im autoritären
Weißrussland seien sie sogar von der Miliz in einem Wald misshandelt
und nackt ausgesetzt worden. Aber nicht nur bei Behörden stoßen die
schrillen Aktionen der Femen(istinnen), die etwa 300 Mitstreiterinnen
zählen - von denen rund zwei Dutzend aktiv dabei -, auf Widerstand.
Die Frauen würden inzwischen nur noch «als diese jungen hübschen
Dinger aus der Ukraine wahrgenommen, die sich überall ausziehen»,
kritisiert etwa die renommierte Autorin Oxana Sabuschko (51).
«Wir tun es für unser Land», sagt Inna Schewtschenko. «Wir wollen
diese sexistische EM-Mafia nicht.» Femen habe einen Brief an den Chef
der Europäischen Fußball-Union UEFA, Michel Platini, geschrieben,
aber der habe nicht geantwortet. «Also schreien wir.» In dem Café im
Zentrum, in dem die Frauen früher ihre Aktionen planten, treffen sie
sich heute nicht mehr. «Zu viele Ohren», sagt Anna Guzol vieldeutig.
In dem Café kann die Gruppe aber finanziell unterstützt werden: durch
den Kauf von Fanartikeln. Es dürfte ungewollt sein - aber der Schrank
mit den Tassen und T-Shirts mit Femen-Logo gleicht den kommerziellen
EM-Souvenirständen in der Fanzone in diesen Tagen ungemein.
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