Wenn Prostitution verboten wird, steigt dann nicht automatisch die Zahl der Vergewaltigungen? Diese Vermutung äußerte Heiner Lauterbach in Sandra Maischbergers Talkshow. Und brachte Alice Schwarzer damit auf die Palme.
"Es ist doch nicht der zu kurz gekommene Mann, der ins Bordell geht", fiel sie Lauterbach ins Wort. Schwarzer stellte klar, worum es ihrer Meinung nach in der Sexismusdebatte vor allem geht: "Wir stoßen immer wieder auf die Machtfrage."
Hat die Sexismusdebatte, angestoßen durch den "Stern"-Artikel über die "Herrenwitze" des Rainer Brüderle, etwas gebracht? Das wollte Maischberger mit ihren Gästen klären. Als Kampf von "Mann gegen Frau" bezeichnete sie das Thema zum Start ihres Talks.
Das Publikum ihrer Sendung wurde deshalb strikt nach Geschlechtszugehörigkeit getrennt. Rechts saßen die Männer, links die Frauen. Alice Schwarzer wurde von Maischberger als "Mutter des deutschen Feminismus" vorgestellt, Heiner Lauterbach als "Parade-Macho".
Diese Konfrontation, diese Gegenüberstellung von Männern und Frauen, kritisierte Anna-Katharina Meßmer, eine der Initiatorinnen der "#Aufschrei"-Aktion bei Twitter. Eine echte Diskussion würde dadurch eher blockiert als angestoßen, davon zeigte sich Meßmer überzeugt.
"Mein Bilanz der Debatte fällt ambivalent aus", sagte sie. "Klassische Medien wie diese Talkshow reduzieren das Thema auf einen Geschlechterkampf und Stereotypen. In den Zeitungen und im Netz wird die Diskussion dagegen viel differenzierter geführt."
Eine Parallele zur "#Aufschrei"-Diskussion gab es trotzdem. Auch bei Maischberger schilderten Frauen ihre unterschiedlichen Erfahrungen mit Alltagssexismus. Moderatorin Birgit Schrowange etwa berichtete von ihren Anfängen als Fernsehmoderatorin, damals hatte sie mit sexistischen Anmachversuchen und Mobbing vonseiten eines Vorgesetzten schwer zu kämpfen. Beinahe hätte sie deshalb das Handtuch geworfen und den Job gewechselt.
Alice Schwarzer beschrieb die Redaktion des linken Blatts "Pardon", bei dem sie als einzige weibliche Reporterin engagiert war, als antifeministische Hochburg.
Und die Hotelmitarbeiterin Anna K., die sich hinter Sonnenbrille und Perücke versteckte, erzählte von einer Beinahe-Vergewaltigung durch einen Gast. "Die Männer begreifen das Hotelpersonal als Mobiliar", kommentierte Schwarzer trocken.
Alice Schwarzer in Höchstform
Dass die Diskussion so lebhaft geführt wurde, war zu großen Teilen ihr zu verdanken. Alice Schwarzer war an diesem Abend ausgesprochen angriffslustig. Ihre Gegner in der Debatte ging sie harsch an, vor allem den "Spiegel"-Autor Jan Fleischhauer und die konservative Publizistin Birgit Kelle.
Schwarzer zeigte sich aber auch humorvoll, lachte lautstark über einen Herrenwitz von Lauterbach ("Was sagt eine Frau nach dem vierten Orgasmus? Danke, Heiner"), schwärmte von "verunsicherten Männern", die sie als "sexy" beschrieb, und kam schließlich zu dem Resümee: "Es gibt doch nichts Langweiligeres und Unerotischeres als den Rammler." Uninspiriert war dieser Talk wirklich nicht.
"Fuck dictator"
Engagiert debattiert wurde auch über die Aktionen der Frauenrechtsbewegung Femen. Auf der Hannover Messe hatten Aktivistinnen der in der Ukraine gegründeten Gruppe mit entblößter Brust gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin demonstriert. "Fuck dictator" hatten die Frauen auf ihren Körper geschrieben. Ihr Protest rief ein riesiges Medienecho hervor.
"Das war nicht sonderlich kompliziert. Wir haben uns Eintrittskarten gekauft und sind rein in die Messe", berichtete die Berliner Femen-Aktivistin Klara Martens von der Aktion. Warum bezeichnen sich die Mitglieder von Femen als Feministinnen, wenn sie sich freiwillig vor Männern entblößen, will Sandra Maischberger wissen. "Wir posieren nicht für Werbung, sondern nutzen unsere Körper für unsere eigenen Ziele", erklärte Martens.
Aber stört es sie nicht, wenn Wladimir Putin während der Protestaktion anzüglich lächelt und später in einer Pressekonferenz behautet, ihm hätten die Frauen gut gefallen? Läuft der Femen-Protest so nicht ins Leere? "Das zeigt doch: Putin kann sich keine Schwäche leisten. Und natürlich will er uns diffamieren", sagte Martens.
Religionen, Prostitution und Diktaturen will Femen bekämpfen, fasste die Aktivistin zusammen. "Das gefällt mir sehr gut, was Sie machen", lobte Alice Schwarzer. Dass Martens sich geschmeichelt fühlte, verbarg sie nicht. Wenn die beiden sich jetzt noch mit der "#Aufschrei"-Initiatorin Meßmer verbünden, wird die Sexismusdebatte sobald wohl nicht verstummen. Schwarzer auf jeden Fall ist überzeugt: "Wir stehen noch am Anfang."
Alice Schwarzer (Publizistin):
Es gibt doch nichts Langweiligeres oder Unerotischeres als den Rammler.
Heiner Lauterbach (Schauspieler):
Wir Männer haben den Jagdinstinkt in uns, damit müssen wir leben.
Birgit Schrowange (Moderatorin):
Ich kann nur jeder Frau, die am Arbeitsplatz mit Sexismus konfrontiert wird, raten, sich sofort zu wehren, zum Betriebsrat zu gehen und sich zu beschweren.
Jan Fleischhauer ("Spiegel";-Autor):
Frauen sind auch keine Unschuldslämmer.
Anna-Katharina Meßmer (#Aufschrei-Aktivistin):
Sexismus ist immer eine Form der Machtausübung.
Birgit Kelle (Publizistin):
Die Sexismusdebatte war aufgebauscht.
Klara Martens (Femen-Aktivistin):
Wir benutzen uns selber. Wir benutzen unsere Körper für unsere Zwecke.
Anna K. (Hotelangestellte und Sexismusopfer) :
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Männer gibt, die sich zu Hause bei ihrer Familie so schlecht benehmen, wie sie es gegenüber weiblichem Hotelpersonal tun.
Foto: pa/dpa/Zweites_Deutsches_Fernsehen
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