Normalerweise trifft es ja eher bekennende Machos wie Russlands Präsidenten Wladimir Putin oder Dominique Strauss-Kahn. Doch nun ist die Adressatin eine Frau – nämlich Bundeskazlerin Angla Merkel – die Besuch von den barbusigen Femen-Aktivistinnen bekommen hat. Die feministische Aktions-Gruppe, die 2008 in der Ukraine gegründet wurde und deren Angehörige mit Parolen auf der Haut für Frauen- und andere Menschenrechte eintreten, demonstrierten am Freitagnachmittag gegen die Inhaftierung mehrerer Mitstreiterinnen in Tunesien.
Mit in die Luft gereckten Fäusten forderten die Demonstrantinnen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor deren Treffen mit dem tunesischen Regierungschef Ali Larayedh auf, vier in dem islamischen Staat inhaftierte Femen-Aktivistinnen zu "befreien". Der Protest wurde nach kurzer Zeit von Polizisten beendet, die den Frauen Jacken überwarfen und sie abführten.
Zwei der Demonstrantinnen vor dem Kanzleramt hatten auf ihre Brust die Vornamen der vier Gefängnisinsassinnen Josephine, Marguerite, Pauline und Amina geschrieben, deren Freilassung sie verlangen. Joséphine W. ist eine Hamburger Studentin, die mit den Französinnen Marguerite und Pauline vor dem Justizpalast in Tunis barbusig gegen die Inhaftierung der 18-jährigen Femen-Aktivistin Amina Sboui demonstriert hatte. Alle drei wurden danach wegen "unzüchtigen Verhaltens" angeklagt und dürften bis zur Verfahrensfortsetzung am 12. Juni hinter Gittern bleiben.
Haft für Protest gegen Hardcore-Islamisten
Die Tunesierin Sboui sitzt seit zwei Wochen in Haft, weil sie nahe des islamischen Friedhofs der Stadt Kairouan das Wort "Femen" auf eine Mauer geschrieben hatte, um gegen eine Versammlung von Salafisten zu protestieren. Merkel wollte den Fall der deutschen Femen-Aktivistin nach Angaben ihres Sprechers bei einem Arbeitsmittagessen mit Larayedh ansprechen.
Sollte Merkel zur Tatzeit tatsächlich aus dem Fenster geschaut haben, dann dürfte ihr der Anblick vertraut vorgekommen sein. Denn erst im April waren zwei Femen-Aktivistinnen bei der Cebit in Hannover auf Putin zugestürzt, während dieser von Merkel über die Elektronikmesse geführt wurde. Auf ihre Körper hatten sie "Fuck Putin" und andere Parolen geschrieben.
Die ersten Opfer der Konservativen sind weiblich
Der Hintergrund der Berliner Aktion ist durchaus ernst: Der Protest der Aktivistin Amina, der ersten Inhaftierten, richtete sich gegen den zunehmenden Druck islamischer Ultrakonservativer auf Politik und Gesellschaft in Tunesien. In dem Land begann vor zwei Jahren der "arabische Frühling" mit dem Sturz von Diktator Sin al-Abidin Ben Ali.
Zwar regiert dort heute die gemäßigt islamistische Ennahda-Partei und die radikalen Salafisten sind in der klaren Minderheit. Doch mit fortwährenden Kundgebungen und militanten Aktionen – die sich immer wieder auch gegen Frauenrechtlerinnen richten – versuchen sie dem traditionell eher liberalen Land ihren Willen aufzuzwingen. Der Mord an dem säkularen Politikers Schukri Belaid, bei dem die Täter offenbar aus salafistischen Kreisen kamen, führte im Februar zu einer Staatskrise. Die Verdrängung von Frauen aus dem öffentlichen Leben und ihre Unterwerfung unter strengreligiöse Moralvorschriften gehören zu ihren Kernanliegen.
Via: welt.de
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