Mit ihrem Repertoire an Riten und Symbolen ist die katholische Kirche gut gerüstet für die Wechselfälle des Lebens, ja sogar für Ausfälle aller Art. Darunter fällt der Auftritt einer Femen-Aktivistin, die am ersten Weihnachtstag halbnackt auf den Altar im Kölner Dom geklettert war. Bevor Kardinal Joachim Meisner dort die Eucharistie feierte, besprengte der Erzbischof den Altar mit Weihwasser und sprach ein besonderes Gebet.
Domzeremoniar Tobias Hopmann erklärt im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, was es damit auf sich hat: „Wir wollten dem Altar mit einem Zeichen der Reinigung symbolisch die Würde zurückgeben, die ihm zuvor genommen worden war.“ Zudem sollte es ein Signal an die Gläubigen sein, „dass wir am Altar nicht einfach weitermachen, als wäre nichts gewesen“, sagt der Domvikar, der für die Kathedral-Liturgie zuständig ist.
Nicht bloß ein Tisch
Der Altar ist in jeder katholischen Kirche besonders wichtig: Als „mensa“ (Tisch) erinnert er zum einen an das letzte Abendmahl, bei dem Jesus den Jüngern Brot und Wein reichte und als seinen Leib und sein Blut bezeichnete – zum Zeichen der Hingabe und der innigsten Verbundenheit. Die Wandlung von Brot und Wein ist der zentrale Moment jeder Messe.
Zum anderen, erläutert Hopmann, ist der Altar aber „nicht bloß ein Tisch“. Weil an ihm „das Kreuzesopfer Jesu vergegenwärtigt wird“, steht er symbolisch für Christus selbst. Optimal ist ein Standort am zentralen Punkt der Kirche. Als Zeichen der Verehrung für Christus küsst der Priester den Altar am Beginn des Gottesdienstes, geht mehrmals um ihn herum und hüllt ihn zur „Inzens“ in eine Weihrauch-Wolke.
Vor der allerersten Benutzung wird jeder Altar durch den Bischof geweiht und dadurch dem Alltagsgebrauch entzogen. Das Kirchenrecht widmet dem Altar ein eigenes Kapitel mit diversen Vorschriften. Der Fall einer Entehrung oder missbräuchlichen Nutzung ist dort zwar nicht ausdrücklich geregelt. Wohl aber heißt es in Canon 1211 allgemein zur Schändung „heiliger Orte“, diese geschehe durch „schwer verletzende, mit Ärgernis für die Gläubigen verbundene Handlungen“. Sie können schlimmstenfalls dazu führen, dass der Bischof die weitere Nutzung für den Gottesdienst verbietet, „bis die Schändung durch einen Bußritus nach Maßgabe der liturgischen Bücher behoben ist“.
Symbolische Reinigung
Dazu sahen die Verantwortlichen im Kölner Dom nach dem Zwischenfall am zweiten Weihnachtstag keinen Anlass, zumal sie sonst den Festgottesdienst wohl hätten abbrechen müssen, was das Ganze erst recht zum Eklat befördert hätte. Stattdessen entschied sich Domvikar Hopmann spontan für die symbolische Reinigung mit Weihwasser und ein Gebet, das in leicht abgewandelter Form dem Ritus der Altarweihe entnommen war.
Hopmann erinnert im Übrigen daran, dass der Altar im Dom nicht nur die exponierteste Stelle der gotischen Kathedrale markiert, sondern gewissermaßen auch den Mittelpunkt Kölns: Alle Entfernungen von und nach Köln bezögen sich auf den Standort des Hauptaltars im Dom. „Man kann sagen, was hier am Weihnachtstag passiert ist, war ein Angriff auf das Zentrum der ganzen Stadt.“ Schließlich, so der Geistliche, hielten auch viele nicht-katholische Kölner ihren Dom heilig und in Ehren.
Via: ksta.de
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