Dann klettern sie über den Zaun der geschlossenen Moschee und demonstrieren lautstark vor dem Eingang.
Weltweit wurde gestern auch die Bewegung „Free Amina“ initiiert. Amina Tyler, eine 19-jährige Tunesierin, hatte sich als Femen-Anhängerin barbusig im Internet präsentiert. Der populäre tunesische Prediger Adel Ami forderte daraufhin hundert Peitschenhiebe zur Strafe und ihren Tod durch Steinigung, um andere Frauen vor ähnlichen Aktionen zu warnen. Seit mehreren Tagen gibt es laut Femen keinen Kontakt mehr zu Amina. Femen steht mit dem Protest nicht alleine da. Vertreter des „Internationalen Komitees gegen Steinigung“ und des „Zentralrats der Ex-Muslime Deutschlands“ übergaben gestern der tunesischen Botschaft in Berlin einen offenen Brief mit der Forderung, den Aufenthaltsort von Amina festzustellen. Tylers Anwältin Belhaj Hmida beteuerte unterdessen, ihre Mandantin sei im Haus ihrer Familie wohlauf. Nach anderen Darstellungen ließ die Familie ihre Tochter in die Psychiatrie einweisen.
In Berlin gibt es zurzeit acht Femen-Aktivistinnen. Im Februar beteiligten sich einige am Protest gegen die NPD. Für ihre gestrige Aktion haben sie sich „auch aus Gründen der Aufmerksamkeit“, sagt Klara, bewusst die älteste deutsche Moschee ausgesucht. Das im Winter geschlossene Gotteshaus wurde zwischen 1925 und 1927 im Auftrag der „Lahore-Ahmadiyya-Bewegung“ in Pakistan errichtet. Sie steht für einen „toleranten, weltoffenen und liberalen Islam“ und hat nach eigenem Bekunden keinerlei Verbindung zur Heinersdorfer Ahmadiyya-Moschee. 1990 wurde ein Förderverein für die Wilmersdorfer Moschee gegründet, die seit 1993 unter Denkmalschutz steht. Gepredigt wird übrigens auf Deutsch.
Eine ältere Dame, die gegenüber wohnt, beobachtet die Aktion der jungen Frauen. „Ich verstehe nicht, warum sie das ausgerechnet hier machen“, sagt die Rentnerin, die nicht genannt werden möchte. Alle würden sich hier gut nachbarschaftlich verstehen. „Das hier sind liebe, nette Leute“, sagt sie. Erst vergangene Woche habe ihr der Imam einen Teller warme Suppe vorbeigebracht.
Der Imam heißt Ahmed Saadat. Er hat die Frauenaktion vor der Moschee im Nebenhaus sprichwörtlich verschlafen und kann deshalb den Polizisten auch nichts erzählen, die nach der Beendigung des nackten Protestes erscheinen und die auf den Stufen der Moschee hinterlassenen Plakate begutachten. Ob es eine strafrechtliche Verfolgung wegen Hausfriedensbruch gebe, sei noch offen, sagt eine Polizeibeamtin.
Imam Ahmed Saadat kommt aus Pakistan, lebt seit einem Jahr in Deutschland und sagt auf Englisch vor laufenden Kameras, man möge sich doch gegenseitig mit Liebe und Respekt begegnen. Und jeder Mensch habe eine Zunge, mit der man reden und miteinander kommunizieren könne. Sabine Beikler
Via: tagesspiegel.de
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