Femen-Aktivistin erklärt, warum sie oben ohne demonstriert

Oben ohne protestiert die CDU-Politikerin Zana Ramadani aus Wilnsdorf-Wilden gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel - zuletzt auf St.Pauli in Hamburg. Die 29-Jährige ist Mitbegründerin des deutschen Ablegers der ukrainischen Frauenbewegung Femen. Ihre halbnackten Protestauftritte sorgen in der CDU für viel Diskussionsstoff. Im Interview erklärt die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte ihre Motive.

Warum protestieren Sie mit blanken Brüsten?

Zana Ramadani: Ein Marketing-Trick. Die Medien würden sich für Zwangsprostitution und Menschenhandel nicht interessieren, wenn wir angezogen demonstrieren würden.

Barbusige Frauen als Aufschrei gegen Zwangsprostitution?

Zana Ramadani: Schauen Sie sich die Werbung an. Man sieht uns Frauen immer als Mäuschen, die immer verfügbar sind, die immer gefügig sind, die darauf warten, genommen und beschützt zu werden.

Wo liegt der Unterschied?

Zana Ramadani: Wir sind anders: Wir sind selbstbewusst, wir stolzieren erhobenen Hauptes und das mit unserer nackten Brust. Das sieht man sehr selten, dass sich starke Frauen leicht bekleidet zeigen. Das will die Gesellschaft ja nicht sehen. Sie will nackte Frauchen und Weibchen, aber nicht diese starken Frauen. Das ist der Tabubruch und regt die Menschen, die nicht damit klar kommen, auf.

Die Politik war noch nie so weiblich wie heute

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Der Zweck heiligt die Mittel?

Zana Ramadani: In diesem Fall ja. Wenn niemand etwas ändert, ändert sich auch nichts.

Überschreiten Sie persönlich für sich keine Grenze?

Zana Ramadani: Aus privater Sicht gehe ich sehr weit, aber es lohnt sich. Ein bisschen nackte Haut zu zeigen und das bei Minusgraden, hat sich ausgezahlt. Bei allem Ärger, bei allem Unfug, der über mich verbreitet wird, nehme ich das in Kauf. Mit Nacktheit habe ich kein Problem.

Und ihre Eltern?

Zana Ramadani: Für meine Eltern ist das schwer. Ich komme aus einer islamischen Familie. Sie können sich vorstellen, dass es problematisch ist, gerade wenn es um die Nacktheit der Frau geht. Die Unwahrheiten, die über mich erzählt werden, tun ihnen weh.

Was wird denn erzählt?

Zana Ramadani: Dass ich Kreuze in der Ukraine abgesägt habe und dass ich mich an Glocken im Vatikan gerieben habe. Das glauben die Leute hier im Siegerland. Sie sind sehr gläubig. Im Dorf macht das schnell die Runde, und meine Eltern werden daraufhin angesprochen. Das nimmt sie mit, aber da müssen sie leider durch.

Kein Bitten der Eltern, ihnen dies nicht anzutun?

Zana Ramadani: Meine Mutter macht sich sehr viel Gedanken. Betet auch für mich. Mein Vater möchte nicht, dass ich das mache, weil es nach seiner Ansicht letztlich nichts bringt. Nach seiner Einstellung ändern meine Proteste nichts in der Gesellschaft.

Wie verträgt sich ihr Verhalten mit dem Islam?

Zana Ramadani: Ich bin keine Muslimin. Für eine Religion kann und will ich mich nicht entscheiden. Das hängt damit zusammen, dass ich aus einer islamischen Familie komme und die Nase voll habe von Religion an sich. Da gibt es für Frauen zu viele Zwänge. Von meinen Einstellungen komme ich dem Christentum sehr nahe.

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Sind Sie in der Kirche?

Zana Ramadani: Nein.

Haben Sie einen Freund?

Zana Ramadani: Nein. Ich bin seit 2009 mit meinem Mann Heiko verheiratet. Er ist Vertriebsleiter bei einer großen Bank. Meinen Mädchennamen habe ich damals schon aus Protest behalten. Momentan ist er froh darüber. So wird er nicht ständig angesprochen. Er findet das Getöse um unsere Auftritte amüsant und bisweilen lächerlich. Mit Politik hat er nichts am Hut.

Warum machen sie bei Femen mit?

Zana Ramadani: Ich habe lange überlegt. Es ist etwas Neues. Femen hält sich nicht mit Thesenpapieren und Flyern auf. Femen geht aktiv auf die Gesellschaft los und unternimmt Aktionen. Das tut seit langer Zeit keine Organisation mehr. Das war mir wichtig. Mit Femen geht es aktiver gegen die Missstände in der Welt.

In Hamburg haben Sie oben ohne und mit Fackeln protestiert, in der Ukraine geht Femen aggressiver vor, zersägt Holzkreuze. Warum nicht auch hier?

Zana Ramadani: Für uns hier in Deutschland sind unsere Auftritte bereits sehr aggressiv. In der Ukraine muss anders agiert werden. Hier sind die Lebensumstände und der Umgang härter. Da gehen ja auch Parlamentarier mit Fäusten aufeinander los.

Auf das Tor an der Herbertstraße auf St. Pauli hat Femen „Arbeit macht frei“ gesprüht. Warum die zynische Parole der Nazis?

Zana Ramadani: Das Tor der Herbertstraße wurde im Dritten Reich aufgestellt. Wieso steht es noch? Hat Deutschland noch immer dieselben „moralistischen“ Vorstellungen? Hinter dem Tor geschehen Menschenrechtsverletzungen, Erniedrigungen, Ausbeutungen und Seelenmord, verborgen vor der Bevölkerung! Deshalb wollten wir einen künstlerischen Vergleich zu einem KZ ziehen. Um wach zu rütteln, zu provozieren und Deutschland mit der Ignoranz gegenüber dem Leid der Frauen zu konfrontieren. Ganz bestimmt nicht, um Opfer zu verhöhnen.

Werden gezielt junge Frauen für die Protestaktionen ausgesucht?

Zana Ramadani: Ein lächerlicher Vorwurf. Wir haben viele hübsche Frauen. Ich bin nicht die schlankeste, wiege um die 60 Kilo und bin 1,57 Meter groß. Mein Bäuchlein hängt über der Hose. Frauen, die das Idealbild der Gesellschaft nicht haben, trauen sich weniger in die Öffentlichkeit. Aber das ist ein gesellschaftliches Problem. Jeder entscheidet das für sich.

Wo nehmen Sie Ihre Stärke her?

Zana Ramadani: Eine Entwicklung von Kindheit an. Ich war immer sehr selbstständig, bin immer gegen alles angegangen, auch in der Familie. Bin meinen Weg gegangen, bin nicht grundlos mit 18 ausgezogen. Der Islam hat dazu geführt, dass ich mich so gegen Ungerechtigkeiten engagiere und gegen diese Zwänge. Wenn jemand damit ein Problem hat, ist es sein Problem.

Vereinsgründung

Zana Ramadani ist in Skopje in Mazedonien geboren und im Grundschulalter mit ihren Eltern nach Wilnsdorf-Wilden gekommen. Sie gehört zu den Gründerinnen von Femen Deutschland, der künftig als Verein seinen Sitz in Siegen haben soll. Das Verfahren zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit läuft. Ihren Ursprung hat Femen in der Ukraine.

Sie ist Vorsitzende der Jungen Union in Wilnsdorf, stellvertretende Kreisvorsitzende der Frauen-Union sowie der Wilnsdorfer CDU.

Bislang finanzieren die aktiven Frauen alles selbst: vom Sprit über die Blumen bis zur Farbe für die Körperbemalung. Zum Kern der Aktivistinnen gehören bundesweit 15 Frauen.

Joachim Karpa

Via: derwesten.de


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