FEMEN: EURO als Hassobjekt und Chance

Die EURO zieht Millionen von Fussball-Fans in ihren Bann. Davon will die ukrainische Frauen-Protestgruppe FEMEN profitieren und auf Missstände im eigenen Land aufmerksam machen – mit nackten Oberkörpern und provokativen Slogans. Mediale Beachtung ist so gesichert, ungewiss bleibt die Wirkung.

Sie sind für einmal angezogen. Inna Schewtschenko und weitere Aktivistinnen der Frauenrechtsgruppe FEMEN laden in der Zweiraum-Wohnung nahe des Kiewer Stadtzentrums zum Gespräch. Die eine Wand des Aufenthaltsraumes ist überzogen mit Zeitungs- und Magazinseiten, auf denen FEMEN-Mitglieder protestieren – jeweils mit entblösstem Oberkörper. Es ist ihr Markenzeichen, es ist ihre Waffe.

Instrumentalisierung des Körpers

Als 2008 die politische Organisation FEMEN in Kiew ins Leben gerufen wurde, protestierten die Frauen noch in pinker Kleidung mit Bannern und Fahnen. «Wir mussten jedoch feststellen, dass in der Ukraine den Frauen niemand zuhört – ausser sie sind nackt», sagt Schewtschenko, eine der drei Anführerinnen von FEMEN. «Aus diesem Grund protestieren wir nun ‚oben ohne‘. Aber nicht, um damit attraktiv auf jemanden zu wirken, sondern um zu zeigen, dass diese Nacktheit von uns kontrolliert wird. Wir benützen unsere Körper, um zu kämpfen.»

Es ist ein Kampf gegen die Unterdrückung von Frauen, gegen Sexismus und Sextourismus und für die Selbstbestimmung der Menschen, hauptsächlich des weiblichen Geschlechts. «Das Leben der Frauen in der Ukraine ist schrecklich. Wir sind Sklaven, zuhause, auf der Strasse und bei der Arbeit. Niemand macht sich darüber Gedanken», enerviert sich Schewtschenko. Die Frauen würden einfach vor sich hinleben, so wie es die Gesellschaft bzw. der Staat vorgebe.

Die Ukraine als grosses Bordell

Derzeit gilt das Hauptaugenmerk von FEMEN der EURO. Im Vorfeld und auch schon während des Turniers kam es zu Protestauftritten. Mit «Free-Sex»-Schildern und mit auf ihre nackten Oberkörper gemalten Slogans wie «Vergewaltigt von der EURO» sorgten sie für mediales Aufsehen. Das Turnier ist für sie eine Chance, eine einmalig grosse Bühne.

«Durch die EURO wurde die Ukraine zu einem grossen Bordell, zu einem europäischen Zentrum der Sexindustrie», beklagt sich Schewtschenko jedoch. Die Fans seien hier, um Bier zu trinken, um Fussball zu schauen und um Sex zu haben. «Jetzt benützen wir die EURO, um diese Realität aufzuzeigen. Ausser uns tut dies niemand», sagt die 22-Jährige, die ihren Job in der PR-Branche aufgrund von Protestteilnahmen, damals noch sittlich bekleidet, verloren hat.

Den Finaltag im Fokus

In Kiew zählt die feministische Bewegung derzeit 40 Aktivistinnen. Im Ausland kommen rund 100 weitere Frauen hinzu. Ausgebildet werden alle hier im Hauptquartier in Kiew. Neben dem Aufenthaltsraum befindet sich der Trainingsraum. «FEMEN kann jeder sein», so Schewtschenko. Aber dies benötige Training. «Physisch muss man bereit sein, wenn die Polizei oder Security-Leute dich wegzerren wollen. Aber auch taktische Schulung gehört dazu. All dies wird hier trainiert.»

Vorbereitungen laufen derzeit auch für den Finaltag vom Sonntag. «Aber es wird schwierig», gibt sie zu. Der Druck, der auf FEMEN von der Regierung ausgeübt werde, sei immens. «Polizei, Sicherheitsdienste und der Secret Service bewachen uns rund um die Uhr. Wir werden verfolgt und gefilmt.» Aber eines wird in der Unterhaltung klar: Der Sonntag ist von immenser Wichtigkeit.

FEMEN als Lebensinhalt

Kaum einmal mehr wird es in absehbarer Zukunft in Kiew so viele Medienleute vor Ort haben. Am Finaltag blickt halb Europa nach Kiew – und dabei soll FEMEN ein weiteres Mal wahrgenommen werden. «Je mehr Kameras und Journalisten, desto besser», stellt Schewtschenko klar.

100-prozentige Provokation ihrerseits sei garantiert. Nur so werde über sie berichtet, was zu einer Diskussion in der Gesellschaft führe. Die Frage ist nur, ob mit entblössten Oberkörpern und Slogans wie «FUCK EURO 2012» den Frauen in der Ukraine wirklich geholfen werden kann. Schewtschenko ist überzeugt davon. Sie muss es sein. «FEMEN ist mein Leben, mein Job, mein Alles.»

Via: drs.ch


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About FEMEN

The mission of the "FEMEN" movement is to create the most favourable conditions for the young women to join up into a social group with the general idea of the mutual support and social responsibility, helping to reveal the talents of each member of the movement.

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