Zuletzt aktualisiert: 09.04.2013 um 22:20 UhrKommentare
Musliminnen wehren sich gegen die Vereinnahmung durch "Femen". Am Montag hatten "Femen"-Aktivistinnen erneut protestiert. Diesmal gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der Messe in Hannover.
Foto © APAFemen für mehr Rechte für Musliminnen
Fuck Dictator!" als gebrüllter Protest und auf Brüste gemalte Parole: Die Proteste von vier "Femen"-Aktivistinnen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin am Montag auf der Messe in Hannover (wir berichteten) werden keine strafrechtlichen Folgen haben. In Deutschland wird die Beleidigung von Vertretern ausländischer Staaten nur verfolgt, wenn der Beleidigte das wünscht. Putin aber will nichts unternehmen. Ganz Macho spöttelte er, ihm habe "die Aktion gefallen", bloß die Parolen habe er nicht verstanden. Die aus der Ukraine stammende Frauenrechtsgruppe wertet die Aktion dennoch als Erfolg. Seit 2010 protestieren die selbstdefinierten "Sextremistinnen" im Spannungsfeld Kunst, Aktionismus und Politik oben ohne gegen Sexismus, Diktatur und Religion und machen dabei ihre Nacktheit zur Waffe.
Dass provozierende Bilder und griffige Parolen den feministischen Diskurs ersetzen, wird "Femen" oft zum Vorwurf gemacht. Aktivistin Inna Schewtschenko, 2012 Gast in der Reihe "Truth is concrete" im steirischen herbst, dazu zur Kleinen Zeitung: "Wenn die Kamera nicht draufblickt, existiert man gar nicht. Deswegen achten wir immer auf das Bild, das wir kreieren."
Weil das zumindest medial viel Aufmerksamkeit bringt, werden die Aktionen mehr. 2013 haben die "Femen"-Aktivistinnen unter anderem oben ohne gegen das Weltwirtschaftsforum in Davos und die Papstwahl protestiert, in mehreren Städten Europas und im Web wurde jüngst auch gegen "den Islamismus" demonstriert - aus Solidarität mit dem tunesischen "Femen"-Mitglied Amina Tyler. Sie hatte auf Facebook unter dem Motto "Mein Körper gehört mir" ein Oben-ohne-Foto hochgeladen und musste untertauchen, als konservative Prediger ihre Steinigung forderten.
Auf Twitter und Facebook artikuliert sich nun aber auch weiblicher Widerstand gegen die undifferenzierten Solidaritätsaktionen mit Tyler: Muslimische Feministinnen weisen die Vereinnahmung durch "Femen" und deren "kolonialistische Geisteshaltung" zurück. Die US-Künstlerin, Publizistin und muslimische Aktivistin Ilana Alazzeh etwa bezeichnet "Femen" in wütenden Tweets als "weiße, rassistische 'Femenazis'", ihre Aktionen stigmatisierten und diskriminierten "Araber, Muslime und alle Frauen, die nicht weiß, schlank, jung und schön sind." So herrscht bei den erfolgsverwöhnten "Sextremistinnen", die deklariert "nicht diskutieren, sondern provozieren" wollen, plötzlich Erklärungsnotstand: Griffige Bilder und Parolen genügen nicht mehr. Argumente sind nötig, sonst stehen "Femen" nicht für berechtigten Protest, sondern für unerwünschte Bevormundung. Denn AktivistInnen sollten auch dann Wesentliches zu sagen haben, wenn etwas nicht ins Bild passt.
Via: kleinezeitung.at
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