Femen-Proteste in Tunesien: Barbusig für Gleichberechtigung

Die ukrainische Gruppierung „Femen“ ist es gewohnt, mit ihren oft nur minutenlangen Protestaktionen die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen. Die meist jungen Frauen, deren Brüste stets nur spärlich mit kämpferischen Parolen bedeckt sind, sorgen seit 2008 für erhitzte Gemüter – und das ist beabsichtigt: Die kalkulierte Provokation diene vor allem dazu, die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit auf gesellschaftlich relevante Themen wie Frauenrechte und Emanzipation zu lenken, meinen Verteidiger der barbusigen Kämpferinnen für die Gleichberechtigung.

Aufmerksamkeit hat Femen seit rund einem Monat mehr denn je: Die 19-jährige Tunesierin Amina Tyler stellte ein Foto von sich ins Internet – oben ohne, nur den Schriftzug „f** your morals“ auf den Brüsten, mit erhobenen Mittelfingern, den Blick in die Kamera gerichtet. Zum ersten Mal schloss sich damit eine Frau in einem arabischen, mehrheitlich muslimischen Land in aller Öffentlichkeit der „Femen“-Bewegung an. Das Bild schmückt die Fanseite der tunesischen „Femen“-Gruppe auf Facebook, die Medienresonanz ist ebenso gewaltig wie die Masse der Reaktionen in der Netzgemeinde.

Doch anders als bei Initiativen wie der Seite „The Uprising of Women in the Arab World“, die sich ebenfalls dem Kampf für die Rechte arabischer Frauen verschrieben haben, blieb es bei Amina und ihrer tunesischen „Femen“-Variante nicht nur bei Kritik und Diskussionen: Mit empörten Kommentaren fing es an, es folgten wüste Beschimpfungen der jungen Frau. Amina erhielt Morddrohungen von extrem religiöser Seite, schließlich rief der in Tunesien bekannte salafistische Prediger Adel Elmi zu ihrer Steinigung auf.

Amina geht nicht mehr an ihr Telefon, die meisten Medienberichte über den Fall basieren auf Gerüchten. So ist auch nach wie vor unklar, ob ihre eigene Familie sie tatsächlich in eine psychiatrische Klinik einwiesen ließ, wie tunesische Medien berichteten. In einem der wenigen Interviews, die Amina selbst gab, sagte sie am Samstag dem französischen Fernsehsender Canal Plus, dass sie Tunesien schnellstmöglich verlassen wolle. Nicht nur die Drohungen religiöser Extremisten könnten Aminas Zukunft in ihrer Heimat gefährden: Die tunesische Staatsanwaltschaft erwägt angeblich, Anklage gegen die 19-Jährige zu erheben – wegen Störung der öffentlichen Ordnung.

Immer mehr Aktivistinnen fühlen sich nun berufen, Amina zu unterstützen: Am 4. April zelebrierten „Femen“-Aktivistinnen in mehreren europäischen Städten einen „International Topless Jihad“-Tag. Auch in Berlin protestierten junge Frauen gegen die Unterdrückung muslimischer Frauen – vor der Ahmadiyya-Moschee, halbnackt. Eine Gruppe junger Frauen posierte gemeinsam mit der tunesischen Künstlerin Nadia El-Fani ebenfalls oben ohne, um ihre Solidarität mit Amina zu bekunden. „Nicht verrückt, sondern frei“, hat eine der Frauen in Anspielung auf Aminas angebliche Einweisung in die Psychiatrie auf ihren Körper geschrieben; der Schriftzug „Nein zur Scharia“ steht auf der Brust einer anderen.

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Via: cicero.de


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