Frau Hacker, Sie haben für eine Ihnen unbekannte Frau vor der Kamera Ihre Brüste entblösst. Warum?
Nina Hacker: Ich identifiziere mich mit der in Tunesien inhaftierten Amina Tyler – als Frau und als Mensch. Dass jemand ins Gefängnis gesteckt wird, nur weil er auf Facebook Oben-ohne-Bilder von sich veröffentlicht (Amina Taylor ist die Gründerin von Femen Tunesien, Anm. d. Red.), empört mich zutiefst. Eigentlich sollte diese Frau für ihren Mut bewundert werden – stattdessen werden ihre Menschenrechte aufs Gröbste beschnitten.
Warum protestierten sie nicht angezogen? So bleiben doch nur ihre Brüste in Erinnerung.
Ich setze meine Brüste bewusst ein und bin mir darüber im Klaren, dass sie Mittel zum Zweck sind – und hier legitimiert der Zweck die Mittel. Es geht darum, möglichst viel Aufmerksamkeit für unsere Anliegen zu generieren, was uns mit entblösstem Oberkörper garantiert ist. Ich würde mich auch komplett ausziehen. Ich glaube aber gleichzeitig, dass nicht nur die nackten Brüste auffallen, sondern auch die aufgemalten Botschaften.
Wie viel Exhibitionistin steckt in Ihnen?
Meine Brüste sind ein Körperteil wie meine Hände oder Füsse auch – weshalb sollte ich sie nicht zeigen? Ich bin mit meinem Körper im Reinen, obwohl oder gerade weil ich seit sieben Jahren Brustkrebs habe und mich unzähligen Operationen unterziehen musste. Ich möchte jeder Frau Mut machen, zu ihrem Körper zu stehen und sich schön zu finden.
Weshalb braucht es in der Schweiz eine weitere Frauen-Organisation?
Wir erreichen unser Ziel am schnellsten, wenn sich alle Länder solidarisieren. Ich habe Femen Schweiz mit dieser Überlegung gegründet, ohne lange jemanden nach Erlaubnis zu fragen. Ich wusste, dass allein der Name Garant für mediale Aufmerksamkeit ist und habe mir daher erlaubt, ihn zu benutzen.
Aber macht Femen in der Schweiz überhaupt Sinn? Frauen werden hierzulande ja nicht eingekerkert, nur weil sie Oben-ohne-Fotos posten…
Das vielleicht nicht mehr, dennoch haben wir dieselben Probleme – einfach in einer anderen Form. Denken Sie nur an die tief verwurzelten Vorstellungen darüber, wie eine Frau zu sein hat, wie Frauen gesehen werden. Nach wie vor üben vor allem Frauen Pflege- oder Betreuungsberufe aus, um nur eines der unzähligen Beispiele zu nennen.
Was sagen Sie zur Kritik von Feministinnen, Femen instrumentalisiere den weiblichen Körper genauso wie das zu bekämpfende Patriarchat?
Ich muss nochmals klarstellen: Ich bin nicht gegen das Patriarchat und für das Matriarchat, sondern für ein Miteinander von Mann und Frau. Die Kritik der Feministinnen mag ihre Berechtigung haben, ich persönlich würde es aber nicht so sagen. Ich benutze die Regeln des Mainstream, meine Botschaft erreicht viele Leute – und ich bleibe stets Herrin über meinen Körper, da die Entscheidungsgewalt bei mir liegt.
Planen Sie bereits weitere Aktionen?
Ja sicher! Wir spielen etwa mit dem Gedanken, Ende August bei der Eröffnung des neuen Strichplatzes mit den Verrichtungsboxen aufzutauchen. Im November 2011 haben bereits die ukrainischen Femen-Gründerinnen am Sihlquai protestiert, da sie die Sexboxen eine «schreckliche Idee» fanden.
Wie werden Ihre Aktivitäten vom Femen-Hauptsitz aufgenommen?
Ich habe mich bei allen Femen-Organisationen per Mail vorgestellt und durchs Band positive Rückmeldungen bekommen. Ich bin da willkommen und werde nicht als Konkurrenz wahrgenommen. Es geht ja darum, gemeinsam für eine Sache einzustehen. Dazu gehören nicht nur die Rechte der Frau, sondern auch der Gedanke, dass Männer und Frauen sich vermehrt als Team sehen sollten. Besinnt man sich auf die gemeinsamen Stärken, können die derart emanzipierten Frauen den Männern auch eine ungeheure Last abnehmen – die Rolle des Ernährers und Beschützers lastet nicht mehr länger nur auf den Männern.
Via: 20min.ch
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