Bei einer Diskussion mit der Frauenrechtsgruppe Femen fliegen die Fetzen. Selbst „Faschismus“ werfen andere Frauen den Protestlerinnen vor. Lob gibt es aber auch.
Die sechs jungen Femen-Frauen sind alle aufgesprungen, eine steht sogar auf ihrem Stuhl. Auch mehrere Frauen im Publikum sind aufgestanden. Sie sehen sehr wütend aus. Eine wirft Femen-Gründerin Alexandra Shevchenko vor, faschistisch zu sein. Im kleinen Veranstaltungssaal des Interkulturellen Frauenzentrums S.U.S.I. in Mitte wird es laut. Den Aktivistinnen der Frauenrechtsorganisation, die am Freitagabend zu einer Diskussionsrunde in die Linienstraße gekommen sind, fliegen Vorwürfe um die Ohren: „Das ist kompletter Bullshit, was ihr da redet“ oder „Fangt doch erst mal an nachzudenken!“ Sie seien populistisch, viel zu vage und überhaupt inakzeptabel, heißt es mehrmals aus dem Publikum.
Dabei hat alles ganz harmlos begonnen. Mehrere Dutzend ZuhörerInnen drängen sich in den kleinen Saal, fast ausschließlich Frauen jeden Alters. Femen, 2008 in der Ukraine gegründet, wurde besonders durch Oben-ohne-Protestaktionen bekannt. An diesem Abend stellt sich die Gruppe vor und präsentiert ihren offiziellen Ableger in Berlin. Auch als sie noch im Publikum sitzen, sind die jungen Femen-Frauen an ihren bunten Blumenhaarbändern zu erkennen. Das erinnert ein bisschen an Flower Power in den 1960ern – vielleicht eine Hommage an die frühe Frauenbewegung, auf die sich die Aktivistinnen im Laufe des Abends mehrmals berufen?
Zu Beginn lobt Janina Argilagos von S.U.S.I. die Frauen von Femen für ihren Mut und „ihre Fähigkeit, die Welt in Frage zu stellen“. Alexandra Shevshenko, Mitbegründerin der ersten Femen-Gruppe in Kiew, erzählt die Geschichte des Protests. Eine ihrer deutschen Mitstreiterinnen übersetzt.
Die Aktivistinnen haben Großes vor: Sie wollen eine neue Gesellschaft aufbauen und das patriarchale System der Ausbeutung von Frauen zerstören, sagt Shevshenko. Mehrmals bekräftigt sie, Femen habe dieselben Ziele wie alle anderen feministischen Gruppen, aber eben einen anderen Weg gewählt, diese Forderungen in die Öffentlichkeit zu tragen. Sie wünschten sich, dass sich trotz Diskussionen alle am Ende einig werden, so Shevshenko.
Unversöhnliche Positionen
Der Widerstand im Publikum beginnt sich zu regen, als der Femen-Protest in der Hamburger Herbertstraße von Ende Januar zu Sprache kommt. Damals hatten die Aktivistinnen „Arbeit macht frei“ an das Zugangstor der abgesperrten Straße gesprüht, in der sich viele Bordelle befinden. Einige Zuhörerinnen reagieren empört über den insinuierten Vergleich von Prostitution und Massenvernichtung im KZ. Aber die Femen-Frauen lassen sich nicht beirren: Sie bleiben bei ihrer ablehnenden Haltung gegenüber jeder Form von Prostitution.
Auch die Oben-ohne-Aktion vor der Ahmadiyya-Moschee in Wilmersdorf am Donnerstag kommt zur Sprache. Die Aktivistinnen zeigen sich uneinsichtig, was die Kritik an der Auswahl dieser Moschee angeht. Die Diskussion wird immer erhitzter und unsachlicher, einige Zuhörerinnen verlassen entrüstet den Raum – nicht wegen Femen, sondern weil sich auch im Publikum Lager gebildet haben.
Das Ansinnen der Aktivistinnen, man möge doch gemeinsam kämpfen, bleibt nur eine Wunschvorstellung: Unversöhnlicher könnten die Positionen feministischer Kritik, die an diesem Abend aufeinandertreffen, nicht sein.
Via: taz.de
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