Das Nachrichtenmagazin "Time" hat bei seiner Wahl der "Person des Jahres 2011" die Protestbewegungen rund um den Globus gewürdigt. Als den Menschen, der das auslaufende Jahr am meisten geprägt habe, stellte die New Yorker Zeitschrift eine anonyme Person vor: "The Protester" (dt. "Die Demonstrantin").
Foto: PR/dpa/dapd
Sie wurde zur Person des Jahres gewählt: Die Demonstrantin
Foto: REUTERS
Das Titelblatt des "Time Magazine" macht Demonstranten zur "Person des Jahres"
Foto: REUTERS
Das Titelblatt des "Time Magazine" macht Demonstranten zur "Person des Jahres"
Ein Jahr, nachdem sich ein tunesischer Gemüseverkäufer aus Protest gegen die Lage in seinem Land selbst angezündet hatte, habe sich die Bewegung über den Nahen Osten nach Europa und die USA ausgedehnt, die globale Politik verändert und die Macht des Volkes neu definiert, erläuterte "Time" die Entscheidung. Weiter heißt es in der jüngsten Ausgabe des Magazins: "Es ist bemerkenswert, wie viel die Spitzen der Protestbewegungen gemein haben.
Überall sind sie zum großen Teil jung, der Mittelklasse zugehörig und gebildet." Fast alle Bewegungen dieses Jahres hätten unabhängig von bestehenden politischen Parteien oder oppositionellen Gruppen begonnen. "Überall in der Welt glauben die Demonstranten von 2011, dass das politische System und die Wirtschaft in ihrem Land nicht mehr funktioniert und korrupt ist, dass sie sich zu Schein-Demokratien entwickelt haben, die den Reichen und Mächtigen dienen und echte Veränderungen blockieren."
Nahost, Maghreb- und Maschrek-Staaten: Arabischer Frühling
Auslöser: Der tunesische Gemüsehändler Mohamed Bouazizi verbrennt sich im Dezember 2010 selbst. Grund: staatliche Willkür. Sein Tod löst Proteste aus, die auf andere Länder übergreifen ("Arabischer Frühling").
Foto: AFP
Junge Ägypter vor einem Graffitti, das die Befreiung des Landes feiert
Foto: AFP
Junge Ägypter vor einem Graffitti, das die Befreiung des Landes feiert
Proteste: Die größten Demonstrationen finden zu Beginn 2011 auf dem Kairoer Tahrir-Platz (Ägypten) statt.
Forderungen: Demokratischer Wandel, Abbau von Korruption, individuelle Freiheitsrechte.
Auswirkung: Sturz oder Tod mehrerer Diktatoren (Ben Ali in Tunesien, Mubarak in Ägypten, Gaddafi in Libyen). In den ersten freien Wahlen in Tunesien gewannen Islamisten.
Griechenland: Schuldenkrise
Auslöser: Pläne der griechischen Regierung, im Zuge der Schuldenkrise öffentliche Ausgaben zu kürzen.
Proteste: Seit dem 5. Mai 2010 finden in unregelmäßigen Abständen gewalttätige Streiks statt. Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten sind die Regel.
Forderungen: Das griechische Volk wirft der Regierung vor, selbst die hohe Staatsverschuldung ausgelöst zu haben und lehnt Sparmaßnahmen ab. Auch der Rücktritt des damaligen Premiers Papandreou wurde gefordert.
Auswirkung: Der Ministerpräsident ist zurückgetreten. Die Sparmaßnahmen werden aber durchgesetzt.
Deutschland: Stuttgart 21
Foto: REUTERS
Demonstration gegen das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21
Foto: REUTERS
Demonstration gegen das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21
Auslöser: Unklarheiten bei der Finanzierung des Projekts und Kritik am Bauvorhaben insgesamt.
Proteste: Seit November 2009 gab es zeitweise wöchentlich Demonstrationen mit mehreren Tausend Teilnehmern. Die Polizei ging auch mit Wasserwerfern gegen Demonstranten vor. Ein Demonstrant verlor dabei sein Augenlicht.
Forderungen: Transparente Finanzierung des Projekts, geringere Kosten, Kritik an der neugeplanten Infrastruktur, mehr Mitsprache der Bevölkerung.
Auswirkung: Mehrere Schlichtungsgespräche und eine Volksabstimmung, die zugunsten von Stuttgart 21 ausging.
Israel: Hohe Preise
Auslöser: Hohe Lebenshaltungskosten und Anstieg der Mietpreise um fast 40 Prozent zwischen 2009 und 2011. Knapp ein Viertel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze.
Foto: dpa/DPA
Aus Protest gegen die hohen Lebenshaltungskosten schlafen Israelis in Zeltstädten
Foto: dpa/DPA
Aus Protest gegen die hohen Lebenshaltungskosten schlafen Israelis in Zeltstädten
Proteste: Zuerst Boykott weil der Preis von Hüttenkäse innerhalb eines Jahres um 40 Prozent gestiegen ist. Demonstrationen wuchsen von Juni bis August auf 100 000 Teilnehmer an.
Forderungen: Gerechter Sozialstaat, faire Preispolitik, besseres Bildungssystem, bezahlbare Mieten.
Auswirkung: Mehr jüdische Siedlungen in Ostjerusalem, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Saudi-Arabien: Tag des Autofahrens
Auslöser: Frauen werden in vielen islamischen Ländern unterdrückt. Eine besonders radikale Auslegung des Islam in Saudi-Arabien verbietet Frauen viele Aktivitäten, unter anderem auch das Autofahren.
Foto: dapd/DAPD
Eine saudische Frau beim Autofahren - das ist Frauen in dem arabischen Land verboten
Foto: dapd/DAPD
Eine saudische Frau beim Autofahren - das ist Frauen in dem arabischen Land verboten
Proteste: Aktivistinnen riefen den 17. Juni zum "Tag des Autofahrens" auf. Schon zuvor filmten sich einige Frauen beim Autofahren in der Hauptstadt Riad und stellten die Videos anschließend auf Youtube.
Forderungen: Gesellschaftliche Besserstellung der Frauen.
Auswirkung: Mögliches Wahlrecht für Frauen ab 2015. Beobachter zweifeln jedoch stark an einer tatsächlichen Umsetzung.
Großbritannien: London Riots
Foto: REUTERS
Jugendlich plündern in London einen Elektronikhandel
Foto: REUTERS
Jugendlich plündern in London einen Elektronikhandel
Auslöser: Tod des mutmaßlichen Drogendealers Mark Duggan. Bei der geplanten Festnahme des 29-jährigen Schwarzen wurde dieser von einem Polizisten erschossen.
Proteste: Am 6. August zuerst friedliche Demo, um Informationen über den Tathergang zu bekommen. Die Proteste breiteten sich daraufhin unkontrolliert in London und anderen britischen Städten aus. Es kam zu den schwersten Krawallen und Plünderungen seit zwei Jahrzehnten, die bis zum 10. August anhielten.
Forderungen: Keine.
Auswirkung: Rufe nach härteren Strafen gegen jugendliche Kriminelle. Mehrere Petitionen für die Kürzung staatlicher Hilfen für Beteiligte an den Randalen.
Ukraine: Femen
Foto: dpa/DPA
Hier protestiert eine barbusige Demonstrantin gegen Weißrusslands Präsidenten Lukaschenko
Foto: dpa/DPA
Hier protestiert eine barbusige Demonstrantin gegen Weißrusslands Präsidenten Lukaschenko
Auslöser: Fehlende Gleichbehandlung der Frauen in der Ukraine. Kritik am ausufernden Sextourismus.
Proteste: Oben-ohne-Auftritte seit 2008 in ganz Europa, vor allem aber in osteuropäischen Ländern.
Forderungen: Im Vordergrund steht die Forderung nach der Selbstbestimmung des Menschen, insbesondere der Frau. Die Gruppe Femen fordert ein Ende des Sextourismus und der Unterdrückung der Frauen. Zuletzt geriet Femen aber auch durch Proteste gegen Silvio Berlusconi in die Schlagzeilen.
Auswirkung: Femen erzielt durch die Oben-ohne-Aktionen eine Wirkung in den Medien. Sie verschaffen wenig bekannten Problemen eine breite Öffentlichkeit.
Spanien: Indignados
Auslöser: Vor allem korrupte Politiker und eine schwache Wirtschaft: Jeder fünfte Erwerbsfähige ist arbeitslos. Bei den Jugendlichen fast jeder zweite.
Proteste: Spanische Medien bezeichnen die Bewegung als "Movimiento 15-M" ("Bewegung 15. Mai") oder "Indignados" (dt. "Empörte"). Beginn der Proteste am 15. Mai in Madrid auf der Puerta del Sol, seither immer wieder Demonstrationen. Der Protest richtet sich gegen soziale, wirtschaftliche und politische Missstände.
Forderungen: Demonstranten wenden sich gegen das harte Sparprogramm der Regierung und die Allmacht der Banken.
Auswirkung: Regierungswechsel nach Wahlen
Kanada: Slutwalk
Auslöser: Aussage eines kanadischen Polizeibeamten, Frauen sollten vermeiden "sich wie Schlampen anzuziehen", um nicht zum Opfer sexueller Gewalt zu werden.
Foto: REUTERS
Stolze Schlampen: Frauen demonstrieren in Toronto gegen sexuelle Diskriminierung
Foto: REUTERS
Stolze Schlampen: Frauen demonstrieren in Toronto gegen sexuelle Diskriminierung
Proteste: Am 3. April kam es zum ersten "Schlampenmarsch" in Toronto. Danach weitere Proteste in vielen Städten weltweit. Am 13. August fand in mehreren deutschen Städten ein "Schlampenmarsch" statt, unter anderem in Berlin, München und Hamburg.
Forderungen: Recht auf freie Kleidungswahl und sexuelle Selbstbestimmung.
Auswirkung: Oft als Recht auf Sexyness missinterpretiert.
USA: Occupy Wall Street
Foto: dapd/DAPD
"Occupy"-Demonstration am Times Square
Foto: dapd/DAPD
"Occupy"-Demonstration am Times Square
Auslöser: Soziale Ungleichheit in den USA, unregulierter Finanzkapitalismus.
Proteste: Am 17. September erste Demo im New Yorker Zuccotti Park. Seither ähnliche Demos weltweit. Einer der bekanntesten Slogans der Bewegung: "We are the 99% percent" kritisiert die ungleiche Vermögensaufteilung in der Bevölkerung. Die oberen ein Prozent seien überproportional vermögend.
Forderungen: Die Anhänger der Bewegung sind sich in ihren Forderungen uneinig. Manche verlangen höhere Steuern für Spitzenverdiener, andere eine Finanztransaktionssteuer. Wieder andere beklagen Armut im Generellen.
Auswirkung: Aufgrund uneinheitlicher Forderungen bisher keine konkreten Ergebnisse.
China: Fischerprotest
Auslöser: Einwohner des chinesischen Fischerdorfs Wukan werfen Beamten derzeit vor, ihnen Bauland wegzunehmen. Nach Protesten kommt es zu Festnahmen. In Polizeihaft stirbt ein Verhandlungsführer.
Proteste: Momentan heftige Proteste gegen lokale Behörden und Polizei. Sicherheitskräfte riegelten das Dorf ab.
Forderungen: Tausende Dorfbewohner fordern die Zentralregierung auf, gegen die aus ihrer Sicht korrupten Behörden vorzugehen.
Auswirkung: Gegen örtliche Funktionäre soll wegen Enteignung von Land ermittelt werden.
Russland: No Vote!
Foto: dapd/DAPD
Demonstration am 24. Dezember gegen das Ergebnis der Parlamentswahl
Foto: dapd/DAPD
Demonstration am 24. Dezember gegen das Ergebnis der Parlamentswahl
Auslöser: Unstimmigkeiten bei den russischen Parlamentswahlen im Dezember.
Proteste: Mehrere Tausend Demonstranten in Moskau, St. Petersburg und anderen Städten kritisieren den übermächtigen und korrupten Staatsapparat. Bislang verliefen alle Demonstrationen friedlich.
Forderungen: Rücktritt von Präsident Medwedjew und Ministerpräsident Putin, Rücktritt des kremlnahen Wahlleiters Tschurow, Zulassung von Oppositionsparteien und Wiederholung der Wahlen.
Auswirkung: Putin und Medwedjew weisen Vorwürfe zurück und sehen derzeit keinen Handlungsbedarf.
Via: welt.de
Short link: Copy - http://whoel.se/~w5nsH$NR