Im Oktober stürmte Frauenrechtsgruppe Femen eine Sitzung des spanischen Parlaments. Während der Sitzung ging es um eine Debatte über die geplante Verschärfung des Abtreibungsgesetzes. Die Diskussion um dieses Reformprojekt begann bereits im Jahre 2010 und dauert seither an.
In Spanien kommt es jährlich zu etwa 120 000 Schwangerschaftsabbrüchen und liegt damit über dem europäischen Durchschnitt. Einer Umfrage der Tageszeitung El Pais zufolge, steht eine Mehrheit der Bevölkerung dem Reformprojekt ablehnend gegenüber. Nach Meinung der Frauenrechtsvereinigung “Decidir Nos Hace Libres” wären mit der geplanten Reform erhebliche Nachteile für eine Mehrheit der Frauen verbunden, die sich für eine Abtreibung entscheiden.
Wie deren Sprecherin Isabel Serrano meint, habe das aktuelle Gesetz dazu geführt, dass es weniger Probleme gibt. Die Frauen könnten sich für die Abtreibung entscheiden, und dies unter gesundheitlich besseren Bedingungen. Auch hätten die staatliche Übernahme der Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch zu einer Abnahme der Ungleichheit geführt. Nach Merinung Serranos gibt es keinen Grund die aktuelle Gesetzeslage zu ändern.
Das derzeitige Recht erlaubt eine Abtreibung bis zur 14. Schwangerschaftswoche. Hierzu müssen die schwangeren Frauen keinerlei Begründung vorweisen. Lediglich Mädchen unter 16 Jahren sind auf das Einverständnis ihrer Eltern oder eines Vormundes angewiesen. Im Falle von fötaler Missbildung sowie in Fällen physischer oder psychologischer Risiken für die Mutter kann sogar ein Abbruch bis zur 22. Woche vorgenommen werden.
Dies jedoch soll sich durch den Gesetzesvorschlag ändern. Ginge es nach der konservativen Regierung, so sollten Abtreibungen in Zukunft nur noch in Fällen von Vergewaltigung oder bei schweren gesundheitlichen Risiken für die Mutter zulässig sein. Und dies lediglich bis zur 14. Schwangerschaftswoche.
Momentan findet die Mehrheit aller Abtreibungen in Privatkliniken wie der Clinica Dator in Madrid statt. Für deren Direktor Diego Fernadez Alvarez würde die Durchsetzung der aktuellen Vorschläge einen erheblichen Rückschritt bedeuten. Er sagt:
“Zum ersten Mal seit Jahren würden Frauen wieder von Ärzten oder Richtern bevormundet. Ihre Überzeugungen oder Gefühle gelten dabei nicht. Dieses Gesetz setzt sich über den Willen der Frau hinweg. Dabei ist es unvermeidlich, dass in sozialer Hinsicht zwei unterschiedliche Realitäten entstehen werden. Die Frau mit ausreichend finanziellen Mitteln wird ins Ausland gehen. Dort wird sie unter rechtlich und medizinisch einwandfreien Bedingungen einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen können. Die Frau, die sich das nicht leisten kann, wird es still und heimlich machen.”
Die Legalisierung in den 1980er Jahren mag die Tabuschranken heruntergesetzt haben. Die Angst vor Stigmatisierung aber ist auch nach über 30 Jahren nicht verschwunden. Zudem gehen die Meinungen über Abtreibungen sehr weit auseinander. Luis Gutierrez aus Cabiedes, Vater von sieben Kindern, hält die “Freie Bestimmung der Frau über ihren Körper” für einen unzulässiger Betriff. Er und seine Frau Esperanza gehören dem Familienforum an. Sie halten keinerlei Motive, die für eine Abtreibung sprechen, für angebracht. In ihren Augen geht die vorgeschlagene Reform nicht weit genug.
“In Spanien”, so sagt Esperanza, “sollte Abtreibung unter Strafe gestellt werden.” Ihrer Meinung nach müsse es eher darum gehen den Müttern zu helfen. Ihr Mann geht in seiner Argumentation sogar noch weiter. Für ihn sei die Abtreibung ein Beitrag zur Vernichtung der eigene Zivilisation und der schlimmste Fehler, den die Gesellschaft begangen habe.
Die Organisation “Recht auf Leben” tritt für die Abschaffung der Abtreibung ein. Wie deren Sprecherin meint, solle der Staat diese zumindest bei fötaler Missbildung untersagen. Eher müssten ein nationaler Hilfeplan zur Adoption sowie Hilfen für Schwangere zur Verfügung gestellt werden, um soziale Ausgrenzung zu verhindern. Das Recht auf Leben eines Kindes, so der Koordinator, dürfe nicht einer sozialen Problematik gegenüber gestellt werden. Spanien gäbe jährlich zwischen 40 und 50 Millionen Euro aus, um Abtreibungen zu finanzieren, jedoch nichts, um schwangeren Frauen zu helfen, die sich in sozialen Notlagen befänden.
Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie kommt es bei etwa einem Viertel der Fälle aus wirtschafltichen Gründen zu einem Schwangerschaftsabbruch. Die private Stiftung Madrina hat es sich zur Aufgabe gemacht Frauen in finanziellen Notlagen zu helfen. Hier werden ihnen vielfältige Hilfen sowie Patenschaften angeboten. Die jungen Frauen, die von Madrina betreut werden kommen in der Hoffnung später einmal auf die Universität gehen zu können. Die Stiftung bietet ihnen einen Ausweg aus der Prekarität, die für die meisten unter ihnen keine Abtreibung rechtfertigt. Der Präsident der Stiftung, Conrado Giménez Agrela, sagt:
“Die ersten Hilfen, die in Krisenzeiten gestrichen werden, sind diejenigen für Mütter. Und das führt dazu, dass wir einer globalen Krise gegenüberstehen. Ich denke, die Zukunft fängt da an, wo wir diesen Müttern, diesen Jugendlichen helfen können eine Wohnung, einen Job oder eine Ausbildung zu finden.”
Abtreibung bleibt ein in Europa kontrovers diskutiertes Thema. Während die nationalen Gesetze sehr unterschiedlich sind, verneinte das Europäische Parlament vor kurzem seine Zustimmung zu einer Initiative, die das Recht auf Abtreibung zu einem Gurndrecht machen wollte.
Via: de.euronews.com
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