APAweb / EPA, Ettore Ferrari
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Das vielleicht tragischste Ereignis in der jüngsten Feminismus-Geschichte passierte während des Filmfestivals in Venedig, und zwar fast unbemerkt: Die Dokumentation "Ukraine is not a brothel" enthüllt einen Mann als Fädenzieher hinter Femen.
Mit ihrer Doumentation über die russische Aktivistengruppe Femen hat die 28jährige australische Regisseurin Kitty Green für ein wenig Aufruhr am Lido gesorgt. "Our mission is protest, our weapons are bare breasts", lautet der Slogan der feministischen Protestbewegung, und wenn man es genau überlegt, verwundert es nicht, dass dahinter ein Mann steht: Victor Svyatski ist der Mann, den Green in ihrer Dokumentation "Ukraine is not a brothel" als Gründer, Organisator und Mastermind von Femen ausmacht.
"Er hat die Mädchen selbst ausgesucht", sagt Green im Interview. "Er nahm natürlich die hübschesten, denn die sorgen für mehr Schlagzeilen. Die Hübscheste kommt immer auf die Titelseite, das wurde zum Image der ganzen Gruppe, es wurde ihre Methode, ihre Botschaft zu verkaufen und ihre Marke zu kreieren."
Nicht unbedingt neu ist diese Schlussfolgerung, aber Green schafft auch einen Blick hinter die Kulissen: "Svyatski ist hochintelligent, aber er benahm sich schrecklich im Umgang mit den Mädchen, schrie sie an und beschimpfte sie."
Seit ihrer Gründung 2010 hat die Gruppe diverse Proteste "absolviert" möchte man nun fast sagen, denn in Greens Dokumentation drängt sich bei Svyatski der Eindruck eines Zirkusdirektors, um nicht zu sagen Zuhälters auf. Ihre Tour jedenfalls hat sie bis jetzt abgesehen von Russland auch nach Belarus, Tunesien, Frankreich, Brasilien, Schweden und den Vatikan geführt, und immer war angenommen worden, die Bewegung wäre von drei Frauen gegründet worden.
"Diese Mädchen sind schwach", sagt denn auch Svyatski selbst im Film. "Sie haben keine Charakterstärke. Sie zeigen Unterwerfung, kein Rückgrat, können nicht einmal pünktlich sein, und auch sonst haben sie viele schlechte Eigenschaften, aufgrund derer sie niemals wirklich politische Aktivistinnen sein könnten. Erst ich habe ihnen beigebracht, wie man es richtig macht."
An einer Stelle dann die interessanteste Frage von Greeen: "Haben Sie Femen eigentlich gegründet, um Mädchen abzuschleppen?" – "Vielleicht ja, irgendwo tief in meinem Unterbewusstsein", antwortet Svyatski.
Nach Venedig war Green mit Femen Aktivistin Inna Shevchenko gekommen; gerade in letzter Zeit waren viele der russischen Mitglieder ins Ausland geflüchtet, um der Verfolgung in Russland zu entgehen. Sie haben immer wieder betont, in Russland von den Autoritäten "systematisch verfolgt, belästigt, zusammengeschlagen, gekidnappt und wiederholt bedroht" worden zu sein.
In ihrem Film behauptet Green, es wäre Svyatski gewesen, der die Gruppe auf ihren bisher gefährlichsten Protest "geschickt" hatte: Nach Belarus, wo sie von Geheimagenten gefangen genommen wurden, sich ausziehen mussten und in einem Wald nahe der ukrainischen Grenze ausgesetzt wurden.
Green, die Femen auf diesem "Einsatz" begleitet hatte, sagte, das Material wäre vom KGB gestohlen worden, und dass sie selbst gekidnappt und für acht Stunden in Gewahrsam gehalten worden war, bevor man sie dann nach Litauen deportierte.
Wenn man die zweifellos attraktiven und sehr selbstbewusst und stark wirkenden Frauen in Venedig ihre Interviews geben sieht, verstärkt dies den ernüchternden Efffekt von Greens Dokumentation nur noch. An einer Stelle im Film sagt eine der Femen-Frauen, auf die Beziehung der Mitglieder und ihrem Gründer, ja, Führer, angesprochen: "Es ist ähnlich wie mit dem Stockholm-Syndrom", demzufolge Geiseln Sympathie und Zuneigung für ihren Entführer empfinden. "Wir sind von ihm psychologisch abhängig", fährt sie fort. "Auch wenn wir rational wissen, wir könnten das alles auch alleine. Wir sind von ihm abhängig."
Via: wienerzeitung.at
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