Strauss-Kahn-Prozess: Sexpartys zum „Dampf ablassen“

Paris. Eigentlich hätte dieser Empfang mit nacktem Busen ganz nach dem Geschmack von Dominique Strauss-Kahn sein müssen. Drei Aktivistinnen der Gruppe Femen stürzten sich am Dienstagmorgen mit nacktem Oberkörper auf die Limousine, die den früheren Chef des Internationalen Währungsfonds, IWF genannt, zur Verhandlung ins Gericht von Lille brachte. Doch die Oben-ohne-Aktion war nicht freundlich gemeint: „Ob Zuhälter oder Kunde, Strafe muss sein!“, schrien die drei Frauen, die rasch von der Polizei überwältigt und vorübergehend festgenommen wurden.

Auch im Gerichtssaal erwartete Strauss-Kahn, der in Frankreich kurz DSK genannt wird, eine unangenehme Befragung. Er wurde in diesem Prozess, bei dem es um die Organisation von Sexpartys mit Callgirls in Hotels geht, erstmals mit den Aussagen mehrerer Prostituierten konfrontiert.

Strauss-Kahns Strategie der Verteidigung ist einfach. Dass er sich mit Prostituierten vergnügte, die von seinen ebenfalls an den Orgien teilnehmenden Freunden bezahlt wurden, will er weder gewusst noch geahnt haben. Die Richter sollen ihm abnehmen, dass er überzeugt war, diese speziell für ihn ausgesuchten und angeworbenen jungen Callgirls hätten aus eigenem Antrieb und Lust am Sex mitgemacht. Keine dieser meist vom notorischen belgischen Zuhälter „Dodo la Saumure“ rekrutierten Frauen hat je gesagt, dass Strauss-Kahn selbst sie bezahlt habe.

 

Brutale Praktiken

Vor Gericht behaupten aber die Ex-Prostituierten Jade und Mounia, die als Nebenklägerinnen auftraten, es habe Strauss-Kahn nicht entgehen können, dass sie bezahlt wurden. Obwohl andere Männer mitmachten, seien diese Treffen für und rund um Strauss-Kahn, den „König dieser Feste“, organisiert worden. Man habe von ihnen zum Schutz des prominenten Kunden jeweils absolute Diskretion verlangt. Beide schildern Strauss-Kahn und seine Praktiken als brutal, erniedrigend und respektlos. Sie habe das in einem Pariser Hotel gegen ihren Willen und unter Tränen über sich ergehen lassen, weil sie dringend auf das Geld angewiesen gewesen sei, erklärte Mounia am Dienstagvormittag vor Gericht.

Der Angeklagte verteidigte sich gegen den Vorwurf der Zuhälterei. Er sei „in keiner Weise Organisator“ dieser Treffen gewesen. Dazu hätte ihm schon allein die Zeit gefehlt. Er habe dagegen nicht nein gesagt, wenn aber einer seiner Freunde aus Nordfrankreich ihn eingeladen habe und er gerade verfügbar gewesen sei, erklärte Strauss-Kahn. Außerdem handle es sich „nur“ um zwölf Partys in drei Jahren. Diese seien wegen seiner damaligen Belastung durch sein Amt wie eine „Erholungspause“ für ihn gewesen, die es ihm ermöglicht habe, Dampf abzulassen.

Er beteuerte vor Gericht, dass er nicht akzeptiert hätte, wenn er gewusst hätte, dass die „Damen“ für ihre Dienste bezahlt wurden. Statt dessen schob er die Verantwortung auf seine Kameraden, die ihn in der Verhandlung seit acht Tagen mit keiner Silbe belastet haben. Vom Mitangeklagten Fabrice Paszkowski sagte Strauss-Kahn: „Er war sich wohl nicht bewusst, dass er mich in Gefahr brachte, als er mir eine Freude machen wollte.“ Mit ihm sind 13 weitere Personen angeklagt.

Im weiteren Verlauf der Verhandlung wird DSK mit den Klägerinnen und Aussagen von Zeugen konfrontiert. Falls er der schweren Zuhälterei schuldig befunden wird, drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

 

Bisher keine Verurteilung

Bisher kam er bei Klagen über seine sexuellen „Extravaganzen“ noch jedes Mal ungeschoren davon, zuerst, als wegen einer Affäre mit einer Mitarbeiterin beim IWF ermittelt wurde. Das Verfahren wegen einer Vergewaltigungsklage eines Zimmermädchens in einem New Yorker Hotel konnte er mit einem finanziellen Vergleich beilegen. Das Verfahren wegen sexueller Aggression einer jungen Journalistin gegenüber wurde in Paris als verjährt eingestellt.

Dennoch war die Karriere dieses Politikers, der in seinem Land lange als der fähigste Ökonom und als aussichtsreicher Anwärter der Sozialisten auf die französische Staatspräsidentschaft galt, schon vor dem Prozess in Lille zu Ende.

Dominique Strauss-Kahn, früherer Chef des Internationalen Währungsfonds und einst die größte Hoffnung der französischen Sozialisten auf das Präsidentenamt, muss sich mit 13 weiteren Personen wegen organisierter Zuhälterei vor Gericht verantworten. Seine Teilnahme an ausschweifenden Sexpartys hat der 65-Jährige zugegeben – er will aber nichts davon gewusst haben, dass die Frauen Prostituierte waren. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2015)

Via: diepresse.com


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