Vier Monate Haft für deutsche FEMEN-Aktivistin in Tunesien
Nach Oben-ohne-Aktion verurteilt
Oben ohne hatte die 19-jährige Deutsche Josephine in Tunis demonstriert. Ein Gericht verurteilte sie und zwei weitere FEMEN-Aktivistinnen deswegen zu vier Monaten Haft. Die EU kritisierte die Schwere des Urteils.
Von Marc Dugge, ARD-Hörfunkstudio Rabat
Die drei jungen Frauen stehen vor dem Gerichtsgebäude in Tunis, nur mit einer knappen Hose bekleidet, oben ohne. Sie rufen "Free Amina" in die Kameras. Sie fordern, dass die tunesische FEMEN-Aktivistin Amina, die in Tunesien inhaftiert ist, freigelassen wird. Eine der jungen Frauen ist Josephine, 19 Jahre, aus Hamburg. Sicherheitskräfte packen sie, nehmen sie fest - und ihre beiden Mitstreiterinnen aus Frankreich ebenso.
Deutsche FEMEN-Aktivistin vor Gericht
M. Dugge, ARD Rabat
12.06.2013 12:41 Uhr
Zwei Wochen ist die Aktion jetzt her, die auf ganzer Linie aufgegangen ist: Denn die Oben-ohne-Demo von Tunis hat enormen Wirbel erzeugt. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich zu der Angelegenheit, mahnte einen fairen, rechtsstaatlichen Prozess in Tunesien an. Für Souheib Bahri, einer der Anwälte der FEMEN-Frauen, ist der Prozess allerdings schon längst zum Politikum geworden. "Die Regierung will diese Angelegenheit politisch ausschlachten", sagte er. "Sie will, dass die Leute sagen: Diese Regierung leistet gute Arbeit, sie kämpft gegen Verbrechen und achtet die Moral."
Frauenrechte sind Zankapfel in Tunesien
Tatsächlich platzt die Angelegenheit in eine Zeit, in der Tunesien um seine Grundwerte ringt. Seit mehr als eineinhalb Jahren arbeitet das Parlament eine neue Verfassung aus. Islamisten und Weltliche sind dabei immer wieder aneinandergeraten, auch beim Thema Frauenrechte. Nichtsdestotrotz garantiert der aktuelle Verfassungsentwurf den Frauen Gleichberechtigung. Ausdrücklich lobt er die Frauenrechte in Tunesien, die nirgends in der arabischen Welt so weitreichend sind wie hier.
Dennoch befürchten viele Tunesierinnen, dass sich das gesellschaftliche Klima verändert - und ihre Rechte geschwächt werden könnten. Auch die linke Abgeordnete und Frauenrechtlerin Nadia Chaabane macht sich Sorgen. Die Busen-Aktion von FEMEN lehnt sie aber ab. "Welche Botschaft hat so eine Aktion denn?", fragt sie. "Ich sehe da keine, ganz ehrlich. Ich bin skeptisch, wenn ich sehe, wie die Rechte der Frauen da instrumentalisiert werden."
Solidaritätsbekundung: Vor der tunesischen Botschaft in Madrid protestieren Mitstreiterinnen der in Tunis angeklagten FEMEN-Aktivistinnen.
Mit ihrer Kritik an der FEMEN-Aktion ist Chaabane nicht allein. Viele fürchten, dass solch provokante Aktionen in einem konservativen, islamischen Land wie Tunesien nach hinten losgehen. Manche glauben, dass sie der Sache der Frauen letztlich sogar schaden - etwa, weil damit Frauenrechtlerinnen erst recht zum Feindbild werden könnten. Verhalten gibt sich auch Ahlem Belhadj, Präsidentin der tunesischen Vereinigung der demokratischen Frauen: "Ich bin für die Meinungsfreiheit, auch wenn ich diese Art der Meinungsäußerung nicht teile. Deswegen verlange ich die Freilassung dieser Frauen, die doch immerhin Mut und Solidarität gezeigt haben."
"Durch Bitten und Betteln kommen wir nicht weiter"
Die deutsche FEMEN-Aktivistin Zana Ramadani lässt sich von ihrem Kurs jedenfalls nicht abbringen. Im Sender hr-info sagte sie auf die Frage, ob sie die Kritik aus Tunesien nicht störe: "Nein, weil wir ganz viele gegenteilige Zusprüche haben. Viele Organisationen verbünden sich mit uns und helfen. Sie sagen: Es ist richtig, in solchen Ländern müssen solche Aktionen durchgeführt werden." Denn nur durch Bitten und Betteln, dass sich für die Frauen etwas verbessert, komme man nicht mehr weiter, fügte sie hinzu.
Fragen zu den FEMEN-Aktivistinnen an den tunesischen Premierminister Ali Larayedh im Interview mit Christiane Meier, ARD Berlin (07.06.2013)
ARD Morgenmagazin, 07.06.2013
Stand: 12.06.2013 19:27 Uhr
Via: tagesschau.de
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