«Zum Teufel mit eurer Moral»

Die Gesellschaft brauche viel länger als die Politik, um die Demokratie zu verinnerlichen, sagte der tunesisch-schweizerische Autor Amor Ben Hamida. Die Realität im Geburtsland des Arabischen Frühlings gibt ihm recht: Eine junge Tunesierin erklärt sich öffentlich zum Mitglied der feministischen Femen-Gruppe und veröffentlicht Oben-ohne-Bilder von sich im Internet. Damit hat sie sich richtig Ärger eingehandelt.





Infografik
Die arabische Welt im Umbruch



Die 19-jährige Amina trat am 16. März in der tunesischen Talkshow «Labes» auf. Mit verpixeltem Gesicht erklärte sie ihre Gründe, sich Femen anzuschliessen. Auf ihrer Facebook-Seite postete sie provozierende Bilder. Auf einem hat sie die Worte «Mein Körper gehört mir und ist nicht die Quelle von irgendjemandes Ehre» quer über ihre entblösste Brust geschrieben. Auf einem anderen reckt sie beide Mittelfinger in die Kamera, auf der Brust steht «Zum Teufel mit eurer Moral».

Seit ihrem TV-Auftritt ist Amina verschollen. Femen-Chefin Inna Schewtschenko hatte offenbar bis zuletzt in Kontakt mit der jungen Frau gestanden: «Ihr Telefon wurde abgeschaltet und ihre Facebookseite gelöscht», sagte die Ukrainerin dem US-Magazin «The Atlantic». Seit Ende Februar hatten die beiden über die Gründung einer tunesischen Femen-Zweigstelle diskutiert.

Typische Reaktion

Wo sich Amina aufhält und wie es ihr geht, darüber hat Schewtschenko nur bruchstückhafte Informationen. Sie hat ein Video gesehen, auf dem die Tante der Teenagerin erklärt, sie befinde sich «im Kreis der Familie». Amina habe Selbstmordgedanken gehabt und deshalb Nacktbilder ins Internet gestellt – für die Ukrainerin eine typische Reaktion auf den Freiheitsdrang einer Frau: Sie werde als verrückt oder zu emotional abgetan. Inzwischen soll sie sogar in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden sein. Dort wäre sie zumindest sicher vor den extremistischen Salafisten, von denen einer ihre Steinigung gefordert hat.

Schewtschenko schmiedet bereits Pläne, wie sie ihrer Mitstreiterin helfen kann: «Für uns ist die einzige Frage, wann Femen nach Tunesien reist», sagte sie «The Atlantic.» Eine Online-Petition an die Adresse der tunesischen Regierung, Aminas Sicherheit zu garantieren, ist bereits über 80'000 Mal unterzeichnet worden.

Amina in der Talkshow «Labes»:

(Video: Youtube/Maroc Jadid)

(kri)

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Via: 20min.ch


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