Das Phänomen "Femen" im Fokus


WEIMAR. (hpd) Die Zeitschrift MIZ - Politisches Magazin für Konfessionslose und AtheistInnen - widmet sich in ihrer (erst jetzt erschienenen) Ausgabe 1/14 dem Schwerpunktthema “Femen und Kirchenkritik”. Hierin geht es um einen feministischen Protest zwischen Popkultur und Mainstream. Mit dieser Verortung ist eigentlich das Phänomen “Femen” schon – im Gegensatz zu den konkreten Beiträgen im Heft – hinreichend beschrieben: Oberflächlicher popkultureller und elitärer Aktionismus einiger Selbstdarstellerinnen für die Mainstream-Medien.

 

Im Editorial (S. 1–2) fragt daher Gunnar Schedel durchaus begründet: “Welche zurückliegenden Aktivitäten der säkularen Verbände, liebe Leserinnen Leser, fallen Ihnen spontan ein?” Keine eigentlich – so dürfte wohl die Antwort der meisten so Angesprochenen lauten. Was eben nicht für diese Verbände und ihre Öffentlichkeitsarbeit spricht! Sicher, manch einer wird hier auf die durch die Sensationsmedien verbreiteten einprägsamen Nackte-Brüste-Demo-Bilder von Aktionen der “Femen” verweisen. 
Doch, so möchte man anmerken: Welche inhaltlichen Aussagen kamen dabei “rüber”? Wohl eher keine. Und auch die Femen-Brüste gingen und gehen schließlich unter in der Flut anderer barbusiger Bilder in den Medien.

Schedel schreibt dazu: “…indem Bilder oft keine völlig eindeutige Bedeutung haben, können sie fehlinterpretiert werden oder Beifall von der falschen Seite erzeugen…” Er resümiert auf den Punkt gebracht: “Tja, vergessen macht sich breit.” Für die MIZ hat Nicole Thies die deutsche Femen-Aktivistin Josephine Witt interviewt. Letztere stellt die kühne Behauptung auf: “Wir nutzen den Boulevard und wir erzielen Resultate.” (S. 7) Da möchte man doch gleich schlicht fragen: “Welche denn?”

Witt spricht zwar davon, dass die Femen-Frauen die Trennung von Kirche und Staat fordern würden und dass ein weiterer Kampfplatz die “Bekämpfung der Diktatur” sei. Doch was kommt beim Medienkonsumenten tatsächlich als einziges an? Antirussische Putin-Verunglimpfung. Von wirklichem und Folgen zeitigendem Kampf für die Trennung von Staat und Kirche gerade in Deutschland ist dagegen nichts zu spüren. Selbst wenn im Kölner Dom nackte Brüste gegen Kardinal Meißner in bestellte Kameras gehalten werden.

Dass damit, wie von Witt behauptet, “politische Diskussionen angeregt” würden, ist nichts anderes als Wunschdenken und wohl mehr das Heischen nach Aufmerksamkeit für die egomanische Seele dieser sich elitär wähnenden Damen. Und bei Witts Behauptung “Wir sind diejenigen, die wachrütteln und ein starkes Mittel dafür entdeckt haben.” kann man nur noch mit dem Kopf schütteln. Die Interviewerin hakt leider nicht nach und lässt eigentlich jede Witt-These unhinterfragt im Raume stehen. Bis auf einen Nebensatz, der aber auf den Kern allen Femen-ismus hinweist: “Setzt ihr euch damit nicht dem Vorwurf aus, dass die Aktion im Vordergrund steht und die Aussage eher nebensächlich ist?” (S. 7)

Nicole Thies versucht im Anschluss sich dem Thema mit einem eigenen Beitrag “Die Frauenbewegung zu Kreuze getragen…?” zu nähern. Aber, so deutlich soll es gesagt sein, dieser Beitrag ist mehr als unbefriedigend, ist weder Fleisch noch Fisch… Die Autorin trifft dennoch einige Feststellungen, die mehr oder weniger zu unterstreichen sind: “Inszenierung ist Teil des politischen Protests…” (S.10) Wobei hier zu sagen wäre: Inszenierung ist für die Femen-Damen alles und von Politik ist kaum etwas zu spüren, wenn es nicht gerade um ein Putin-Bashing geht. “…Analyse der kapitalistischen und neoliberalen Verwertungsökonomie von Frauen – davon kein Wort…” (S. 13) “Der Nacktprotest inszeniert medienwirksam und reproduziert so patriarchale Schönheitsvorstellungen. Selbst die Slogans passen sich allein den Körpermaßen an.” (S. 14)

Kurzum, von Kampf für Aufklärung, für reale Frauenrechte, für die Realisierung der Trennung von Staat und Kirche ist unter dem Strich nichts zu vermelden, wenn man das Phänomen “Femen” bilanzieren will. Leider traute sich das die Autorin nicht so klar zu schreiben.

Die MIZ hätte den aktuelle Schwerpunkt lieber auf ein anderes Thema legen sollen, das politischer ist und tatsächlich für den Kampf für die Trennung von Staat und Kirche, und damit auch für aktive und begründete Kirchenkritik steht. Gemeint ist Rainer Ponitkas Beitrag “Vertretung der Konfessionslosen – IBKA entsendet Sachverständige zu Anhörungen in Landesparlamente”.

Er schreibt, dass der IBKA seit November 2013 gleich zu fünf Themenbereichen in vier Bundesländern Stellungnahmen einreichen durfte. Und dass er in zwei Fällen sogar zu entsprechenden Ausschusssitzungen eingeladen wurde: “So wird der IBKA inzwischen auch seitens der Politik als Interessenvertretung der Konfessionslosen wahrgenommen.” (S. 21) Davon können KORSO oder HVD leider nur träumen. Und die Femen-Inszenierungen erst recht!

Ponitka geht in seinem Beitrag knapp, aber aussagekräftig auf Anhörungen und Stellungnahmen in den Landtagen von Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und dem Saarland ein. Ein zweiter, ausführlicherer Beitrag sollte unbedingt in einer der nächsten MIZ-Hefte folgen.

In einer “Quintessenz” konstatiert Ponitka: “Es ist ein schöner Erfolg, der weiter ausgebaut werden muss. Bislang wurde der IBKA ausnahmlos von den Abgeordneten der Piraten benannt – vielleicht gelingt es in der Zukunft, dass auch andere Parteien mit säkularem Anspruch den vorhandenen Sachverstand abzufragen wünschen.” (S. 24) Aber solches werden wohl Bundes- und Landespolitiker wie Nahles (SPD), Göring-Eckardt (Grüne) oder Ramelow (LINKE) scheuen wie der Teufel das Weihwasser…

Besonders hervorgehoben werden soll auch Daniela Wakoniggs Artikel “Der schöne Schein” über den Kardinal (und Machtmenschen) Reinhard Marx, den neuen Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Hieraus soll etwas ausführlicher zitiert werden. Diese Zitate sprechen für sich und bedürfen keiner weiteren Kommentierung: “Mit seiner inszenierten Volksnähe fügt sich Kardinal Marx ideal in das neue Bild, das die katholische Kirche seit der Ära Franziskus in der Öffentlichkeit von sich zu zeichnen versucht: weltoffen, freundlich, Fürsprecher der Armen. (…) Die katholische Imagekampagne wirkt. Wer Franziskus lächeln sieht und Marx gegen das Kapital wettern hört, der hat die Missbrauchsfälle der letzten Jahrzehnte schon fast vergessen – und auch das millionenschwere Mussolini-Kapital, mit dem die Kirche der Armen ihr weltweites Immobilienimperium aufbaute. Hinter ihrem neuen, freundlichen Gesicht ist die Kirche jedoch die alte geblieben: machtorientiert, undemokratisch und konservativ. (…) Außerhalb von Schützenfesten (!) ist der Machtmensch Marx wesentlich weniger volksnah und offen, als es das von ihm selbst gemalte Bild suggeriert [es folgen einige bemerkenswerte Belege; SRK]… (…) Dass die neue Weltoffenheit und Freundlichkeit der katholischen Kirche in der Tat nur eine Fassade ist, hinter der es nach wie vor mittelalterlich zugeht, zeigte sich dann auch anschaulich während der Bischofskonferenz in Münster…” (S. 27 – 30)

Weitere Beiträge befassen sich mit diesen Themen: “Vom Teufel ersonnen – Von Sybille Lewitscharoff ausgesprochen” (Viola Schubert-Lehnhardt); “Tiere der Bibel – In eigenen Zooführungen wird Kindern die ‘Schöpfungsgeschichte’ vermittelt” (Colin Goldner); “Positiver Atheismus als Lebensstil – 75 Jahre Atheist Centre in Indien” (Volker Mueller) und “Die, die my Darling” (Frank Welker). Unbedingt erwähnt werden muss auch Daniela Wakoniggs Nachruf auf Karlheinz Deschner: “Ich denke, also bin ich kein Christ”. 

Die MIZ wird inhaltlich abgerundet durch eine aktuelle Wakonigg-Glosse “Neulich … in Belgien” sowie die Standard-Rubriken “Zündfunke” (Rückblick auf Aktionen, Medienarbeit, Vorträge und Seminare); “Blätterwald” (Säkulare Publikationen, Lesetipps, Medienschau – u.a. zum Thema “Militärseelsorge”) und “Renzensionen”. In letzterer bespricht Christoph Lammers Wolfgang Wippermanns Buch “Fundamentalismus. Radikale Strömungen in den Weltreligionen” (und bescheinigt darin Wippermann, dass jener hierin “grandios gescheitert” sei). Lammers zweite Buchbesprechung ist einer ver.di-Publikation über “Streiks in Gottes Häusern. Protest, Bewegung, Alternativen in kirchlichen Betrieben” gewidmet mit dem Resumee: “Die Politik sollte diesen Band (…) zur Kenntnis nehmen und die Chance nutzen, um das Konstrukt des Staat-Kirchen-Verhältnisses grundsätzlich zu überdenken.” (S. 51)

Und natürlich darf auch die “Internationale Rundschau” nicht fehlen mit Nachrichten aus der Europäischen Union, aus Deutschland, Belgien, Großbritannien, Italien, Österreich, Polen, Ungarn, aus der Schweiz und der Türkei, aus dem Vatikan und den USA, aus Peru, Indonesien, Israel, Kasachstan, Syrien und Saudi-Arabien.

Siegfried R. Krebs

 

MIZ - das bedeutet Materialien und Informationen zur Zeit. Das Vierteljahresmagazin des IBKA (Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten) erscheint seit 1972 und kann beim Alibri-Verlag Aschaffenburg bezogen werden.

Via: hpd.de


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