Seine Frau hatte ihn in New York gerettet, aber jetzt verdichten sich die Callgirl-Vorwürfe – wie lange macht sie das noch mit?
Frankreichs Sozialisten müssten eigentlich Nafissatou Diallo, dem Zimmermädchen des New Yorker Hotels Sofitel, dankbar sein. Ohne ihre mutige Klage wegen Vergewaltigung, die den damaligen Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, im Mai zu Fall brachte, hätte die Linke bei den Primärwahlen im Oktober womöglich einen Kandidaten zur Präsidentenwahl 2012 gekürt, der einen offenbar unaufhaltsamen Abstieg vor sich hat. Strauss-Kahn soll in eine Affäre um einen Callgirl-Ring verwickelt sein. Ein mit ihm befreundeter Geschäftsmann aus Nordfrankreich soll auf Kosten seiner Firma und eines anderen Unternehmens für den sozialistischen Politiker Orgien mit Prostituierten organisiert haben. Sollten sich die bisher bekannt gewordenen Details der von der Staatsanwaltschaft in Lille geführten Untersuchung bestätigen, müsste Strauss-Kahn demnächst mit harten Fragen der Ermittler rechnen.
Anfang Februar dieses Jahres hatte die Polizei erste Hinweise auf die nach dem Carlton, dem führenden Hotel der nordfranzösischen Großstadt, benannten Affäre erhalten. Neben dem mit Strauss-Kahn befreundeten Geschäftsmann Fabrice Paszkowski befinden sich seit Oktober mehrere Personen in Untersuchungshaft. Unter ihnen ein Zuhälter mit dem Spitznamen „Dodo la Saumure“ (Dodo, der Salzhering), der im nahen Belgien mehrere Bordelle betreibt, der Chef für Öffentlichkeitsarbeit des Hotels, René Koifer, und der Leiter einer Filiale des Baukonzerns Eiffage, David Roquet. Gegen zwei Anwälte sowie den vom Dienst suspendierten Polizeichef der Region Nord wird ebenfalls ermittelt. Gegen sie laufen Untersuchungsverfahren wegen „bandenmäßig organisierter, schwerer Zuhälterei, Mittäterschaft, Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung, Betrug und Veruntreuung von Betriebsvermögen“. Auf den Namen Strauss-Kahn stießen die Ermittler bei der Sichtung von Abrechnungen von Restaurantbesuchen, Hotelübernachtungen und Reisekosten, die bei den betroffenen Unternehmen gefunden wurden. Es handelt sich um Ausgaben, die bei den Orgien entstanden, die Paszkowski mithilfe Roquets arrangierte und für die der illustre Kreis nach Paris und auch zum „Informationsbesuch“ nach Washington zum Internationalen Währungsfonds reiste. Auf der Rückseite tragen die Belege den Vermerk „DSK“. Paszkowski hatte die Rechnungen teils aus eigener Tasche bezahlt, teils an David Roquet weitergereicht, der sie in seiner Firma als Betriebsausgaben verbuchte. In Paris fanden die Orgien mit Strauss-Kahn in einem Hotel oder einem Restaurant statt. Auch wenn der IWF-Direktor in Madrid, Wien, Prag, Brüssel oder Lyon zu tun hatte, sorgten die Freunde für ihn. Höhepunkte des geselligen Treibens aber stellten die vier Reisen nach Washington dar, zu denen sie sich zwischen Dezember 2010 und Mai 2011 in Begleitung von „Sekretärinnen“ auf den Weg machten. Die letzte fand vom 10. bis 13. Mai dieses Jahres statt, also in den Tagen, die unmittelbar dem Samstag vorausgingen, an dem Strauss-Kahn in New York wegen des Verdachts der Vergewaltigung des Zimmermädchens Diallo verhaftet wurde. In der Zeitung „Nord éclair“ berichtete eine der mitreisenden Prostituierten mit dem Künstlernamen „Jade“, sie habe sich zur Erinnerung mit ihm seinem Büro fotografieren lassen.
Nachdem sein Name in den Enthüllungen aufgetaucht war, hatte StraussKahn über eine „mediale Lynchjustiz“ geklagt und sofort eine Vernehmung durch die Ermittler gefordert, „um den bösartigen Gerüchten über ihn“ den Boden zu entziehen. Das könnte ihm schwer fallen. Die Ermittler fanden ein Mobiltelefon, das Paszkowski bei ihm vergessen hatte und das DSK benutzte, um ihm Kurzmitteilungen zu schicken. Laut „Libération“ fragte Strauss-Kahn den Freund unter anderem per SMS, ob er „Freundinnen“ mitbringe. Verkehr mit Prostituierten ist, anders als Zuhälterei, in Frankreich nicht verboten. Die Frage ist, ob er sich für die Dienste seiner Freunde mit Gegenleistungen revanchierte.
Seit seiner Rückkehr aus den USA lebt Strauss-Kahn zurückgezogen in seinem Pariser Domizil. Er sei nur noch „ein Schatten seiner selbst“, sagen die wenigen Freunde, die ihn noch besuchen. Seine Frau, die schwerreiche Journalistin Anne Sinclair, trage sich mit dem Gedanken einer Trennung, heißt es. Sie fordere das Geld zurück, das sie für seine Verteidigung in New York ausgegeben habe.
Die Frau hat einiges durchgemacht. Sie stand die ganze Zeit hinter ihm, organisierte die extrem teure Verteidigung in New York, holte ihn als freien Mann zurück nach Paris in ihre feudale Residenz. Dann kamen die Vorwürfe der Schriftstellerin Tristane Banon hinzu, die wegen Verjährung keine Konsequenzen hatten. Die Justiz aber würdigte Strauss-Kahns Verhalten ihr gegenüber als sexuelle Aggression. Und jetzt der Callgirl-Ring. So einen Mann findet man nicht alle Tage.
Via: pnn.de
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