Nein, Silvio Berlusconi hatte die drei barbusigen Frauen nicht zu seiner Stimmabgabe nach Mailand bestellt. Die Mädchen der ukrainischen Emanzipationsbewegung Femen haben auch schon auf dem Petersplatz mit lautem Geschrei blankgezogen. Aber es hätte auch niemanden gewundert, wenn der Cavaliere das Spektakel selbst inszeniert hätte. Berlusconi bleibt Berlusconi, bis zur letzten Minute des Schicksalswahlkampfs in Italien.
Bis zuletzt hat er sich mit einem Strauß politischer Stilblüten zur Wahl empfohlen: Die Justiz in Italien sei schlimmer als eine Mafiabande in Sizilien, und er wisse, wovon er rede. Die versprochene Rückzahlung der Immobiliensteuer wolle er notfalls aus eigener Tasche finanzieren. Er sei schließlich kein unvermögender Mann, da komme es auf vier Milliarden Euro mehr oder weniger in seinem Portemonnaie nicht an. Versuchten Stimmenkauf wird so etwas nur nennen können, wer auch die anderen leeren Versprechen ernst nimmt, die Berlusconi in den vergangenen Wochen durch die Luft hat wirbeln lassen. Was will dieses politische Stehaufmännchen? Immobiliensteuer zurückzahlen, Gewerbesteuer abschaffen, Einkommensteuer um 23 Prozent senken und die Brücke über die Meerenge von Messina bauen. Vier Millionen neue Arbeitsplätze sind nach der Analyse Berlusconis nicht unrealistisch. Die Unternehmer, die Arbeitslose einstellen, sollen dabei für drei Jahre von der Steuer befreit und die Staatsausgaben um 16 Milliarden pro Jahr gesenkt werden. Bausünder dürfen auf Amnestie hoffen, Steuerhinterzieher auf einen Straferlass. Einsitzende Häftlinge sollen gegen Kaution freikommen, andere Straftäter ihre Strafe erst gar nicht antreten, um die überfüllten Gefängnisse und die unterfüllten Staatskassen zu entlasten. Diesem Ziel wird auch eine Reduzierung der teuren Abgeordneten und Senatoren beider Kammern auf etwa die Hälfte sehr entgegenkommen. Danach ließe sich für die Verbraucher auch die Mehrwertsteuer und der Benzinpreis für die autoverliebten Italiener wieder senken.
Wenig zimperlich ging "Silvio" mit seinen Gegenspielern um. Die Italiener klärte er im Wahlkampf noch einmal darüber auf, dass es seinen linken Gegenspielern an Hygiene mangele. Dafür hätten sie "Schuppen und Mundgeruch". Dass Mario Monti ein Knecht der deutschen Kanzlerin Angela Merkel sei, wissen die Italiener von ihm schon lange. Hinzu kam die Behauptung, dass der Sparkurs, den Berlin Brüssel und dem Rest Europas diktiere, Italien 360.000 Arbeitsplätze im Bauwesen gekostet habe. Sobald er an der Macht sei, werde es mit dieser egoistischen und ausnutzenden Hegemonialpolitik der Deutschen ein Ende haben. Das Kuriose: Der wüste verbale Rundumschlag scheint sich auszuzahlen. Im Senat winkt dem ehemaligen Ministerpräsidenten gar die Mehrheit.
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