Die Femen-Bewegung in der Ukraine Nackte Busen als Waffen

Kiew - Ein Pfeil und zwei Kreise in den ukrainischen Farben Hellblau und Gelb weisen in den Innenhof. Wenige Schritte vom zentralen Kiewer Unabhängigkeitsplatz entfernt, dort wo Ende 2004 die orange Revolution begann, befindet sich das Büro der neuen ukrainischen Revolutionärinnen. Ihr barbusiger Kampf gegen Sextourismus hat sie in der ganzen Welt bekannt gemacht. Ihr Büro zu finden, erleichtert dies allerdings nicht.

Der Pfeil führt in einen typischen Kiewer Altstadthinterhof, die Spur verliert sich. „Wir arbeiten wie Partisanen“, erklärt Inna Schewtschenko später hinter einer unscheinbaren schwarzen Tür. „The One“ steht darauf verschwörerisch schwarz auf schwarz. „In diesem Büro wollen wir eine Art ukrainische Al Kaida organisieren“, sagt die 22-jährige Sprecherin der feministischen Kampftruppe und führt den Besucher aus dem Lokal ins Freie.

Von Sicherheitskräften abgeführt

Zurück bleiben Anna, Oksana und Sascha, drei mit Laptops bewaffnete Organisatorinnen der Nacktprotestgruppe. Sie haben sich auf einen grünen Rasenteppich in einem Raum mit vielen Spiegeln gefläzt und bearbeiten die Femen-Einträge auf sozialen Netzwerken und Internetportalen. Im Nebenraum streicht ein junger Ukrainer den Heizkörper. Man könnte das ganze für ein Aerobic-Studio halten, prangten nicht die Lettern „F.CK Euro 2012“ über einer nackten Frauenfigur mit Blumenkranz an der Wand. Hinter einem Frauennamen steht auf russisch: „Sie hat gesiegt“.

Gesiegt hat die Femen-Aktivistin Julia Kowpaschnik. Als der Siegespokal der Fußball-EM auf dem nahen Unabhängigkeitsplatz vorgeführt wurde, zog sie sich plötzlich das rote T-Shirt über den Kopf, zeigte den nackten Oberkörper mit eben jener Aufschrift zum Protest gegen die Euro solange, bis sie von den Sicherheitskräften abgeführt wurde. Der glamouröse Fußball-EM-Auftakt war damit nachhaltig gestört.

Zentrum des käuflichen Sex

„Wir wollen bei jedem EM-Spiel in der Ukraine und Polen dabei sein und gegen Prostitution und Frauenverachtung protestieren“, sagt Schewtschenko, die sich vor dem Femen-Büro auf einem Kinderspielplatz in den Schatten gesetzt hat. Im Zuge der Euro 2012 würde die Ukraine zu einem Zentrum des käuflichen Sex in Europa verkommen, erklärt die Journalistik-Studentin. Frauen mit wenig Jobalternativen aus der Provinz, den ukrainischen Armutsregionen, würden von der Sexindustrie missbraucht. Die Fußball-Europameisterschaft fördere dies, sagt sie und teilt ihre Freude über den Umstand, dass die Femen-Aktivistinnen aus Privatwohnungen in ein eigenes Büro im Stadtzentrum ziehen konnten.

„Hier können wir trainieren und uns körperlich ertüchtigen“, sagt sie. Immer häufiger müssten sie nämlich schnell wegrennen können, um sich des teils brutalen Vorgehens der Polizei zu entziehen. Auch müssten sie oft Gebäude hochklettern. „Heute sind wir Soldatinnen“, sagt Schewtschenko mit festem Blick.

Das Image von hübschen, barbusigen Mädchen werde vor allem als Markenname kultiviert, sagt Schewtschenko, die fast von Anfang an dabei ist, ihre Brust jedoch erst nach einiger Zeit entblößte. Probleme bekam Inna Schewtschenko jedoch bereits vorher. 2009 demonstrierte die Femen-Aktivistin – noch bekleidet – gegen den damaligen Ministerrat, der nur aus Männern bestand. Schewtschenko, die neben dem Studium im Pressereferat der Stadt Kiew arbeitete, wurde danach sofort entlassen. „Zuerst war ich schockiert, doch dieses Erlebnis bestärkte nur meine feministischen Überzeugungen“, erzählt sie. Als Femen ein Jahr später dazu überging, Oben-ohne-Proteste zu organisieren, hatte sie keine Hemmungen mehr. Oft könne eine nackte Frau eben mehr erreichen, als Hunderte von Demonstrantinnen, sagt Schewtschenko, die ihren Lebensunterhalt heute mit Hilfe von Femen bestreitet.

„Politik ist bei uns immer noch Männersache“

„Der nackte Busen ist eine Waffe“, erklärt die 27-jährige Anna Gutsol, die Femen 2008 aus der Taufe gehoben hat. Die Nacktdemonstrationen gegen Prostitution hätten in der Ukraine für weit weniger Aufruhr gesorgt, als jene Femen-Aktivistinnen, die Brüste aus Protest gegen den Stimmenkauf entblößt hätten. „Das zeigt: Politik ist bei uns immer noch Männersache.“ Die rothaarige Ökonomin Gutsol war früher in Studentengruppen aktiv. „Als ich dort nicht fand, was mir passte, gründete ich Femen“, erzählt sie lachend. Ihre ersten Mitkämpferinnen suchte sie über das russischsprachige Facebook-Äquivalent „vkontakte.ru“. Zuerst kamen Studentinnen, heute jedoch vereinigt Femen Ukrainerinnen zwischen 18 und 65 aus allen Berufsgruppen.

„Die Mitgliederwerbung ist schwierig“, gesteht Schewtschenko. „Denn die ukrainische Gesellschaft ist nach der Enttäuschung über die orange Revolution sehr zynisch geworden.“ Heute verfügt die Bewegung der Femen in der Ukraine über rund 40 Oben-ohne- und etwa 300 bekleidete Aktivistinnen. Von Letzteren ist in den Medien nie die Rede.

Via: stuttgarter-zeitung.de


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