Die mediale Erschaffung eines Schurkenstaats – Freitag

Es gibt: Staaten, Regierungen und ihre Zivilbevölkerungen als historische und kontingente Gebilde.

Es gibt aber auch: die diskursive Erzeugung eines kollektiven Staats=Subjekts - im dipolaren Diskurs des „Westens“ meist als „Regime“ bezeichnet, dem antithetisch die positiv besetzten (natürlich: „westlichen“) „Demokratien“ entgegengestellt werden. Dem „Regime“, so wenig es seit Ende des Systemgegensatzes des Kalten Krieges noch klar strukturell definiert wird, haftet grundsätzlich der Verdacht des Unrechtmäßigen an. Herrschaft in ihm ist zwangsläufig Ursupation, im Gegensatz zu den „westlichen Demokratien“, deren Herrschaft prinzipiell nur als „legitim“ operierende denkbar ist – unabhängig davon, welche nationalen oder internationalen Gesetze von ihr gerade munter gebrochen werden. Auch wird die Herrschaft des „Regimes“ per se personifiziert gedacht: Die Bürger der dazu gehörenden Zivilgesellschaft werden in der medialen Darstellung in die verzerrte Karikatur ihres Regenten eingegossen, um komplett darin zu verschwinden. Wenn sie einmal erwähnt werden, dann nur als Reflex des propagandistischen Aufwands, dem sie ausgesetzt sind, als Claqueure der Macht also, oder als Leidensschatten ihrer oppressiven Willkürakte. Ein „Regime“ ist per definitionem dunkel, bedrohlich invasiv nach innen wie expansiv nach außen. Wird sein Widerschein in den Leitartikeln Äußerungen der Politdarsteller in immer düsteren Farben beschworen, wissen wachsame politische Beobachter, dass Krieg in der Luft liegt.

Bemerkenswert an der aktuellen Dämonisierung des derzeitig als am bedrohlichsten gezeichneten „Regimes“, nämlich „Putins Russland“ (als verfüge der Mann allein über die riesige russische Landmasse ihre mehr als 130millionen Bewohnerinnen Bewohner) ist, dass sie das deutlichste Defizit der russischen Gesellschaft nahezu komplett aus ihrer Kritik ausspart: nämlich die eklatante Ungleichverteilung der ursprünglich staatlich=sowjetischen  Güter das daraus sich ergebenden Macht/Ohnmachtsgefälle. Liegt dieser Umstand des Verschweigens darin begründet, dass der „neoliberale“ Druck der „westlichen“ Finanz- Konzernmächte auch die „westlichen Demokratien“ mit mehreren hundertmillionen Beinchen in just dieselbe Richtung treibt? Oder darin, dass die russische Ungleichverteilung entscheidend auch mit „westlicher“ Schützenhilfe erfolgt ist? Oder aber darin, dass „der Westen“ Russland ja zu allem möglichen zwingen möchte, aber ganz gewiss nicht zu einer größeren Partizipation der Russinnen Russen an russischen Gütern.

Klar ist: Dass Rezipienten „westlicher“ Medien, an die die anti=russische Propaganda sich wendet, sich strukturelle Fragen stellen könnten (die immer das Risiko in sich bergen, dass in der Folge auch Defizite der eigenen Gesellschaft erkannt werden), soll wohl tunlichst vermieden werden. Vielmehr soll das propagandistische Zerrbild, das den Kontrapunkt zur eigenen Alltagswirklichkeit bilden soll, die Zuhörer Leser ohne Umschweife in dem sicheren Gefühl wiegen, in der überlegenen Gesellschaftsformation zu leben, ohne dass die Beibehaltung des dieses Überlegenheitsgefühl spendenden Lebenselements Regierenden irgendein Zugeständnis an die Mehrheit kostet. Und was bietet sich zu diesem Zweck weniger an als der stolze Verweis auf die unglaubliche „Liberalität des Westens“ in seiner grundlegenden „Toleranz“ gegenüber der Vielfalt an frei zu wählenden Genderidentitäten und sexuell kommerzialisierten statt tabuisierten Selbstverwirklichungsformen?

Die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen geschlechtlichen sexuellen Identitätsmustern, besonders wo sich diese im Geist des Konsumversprechens als ästhetisch stets zu perfektionierende Erscheinungsformen präsentieren, ist eine, die die neoliberale Gesellschaftsformation in keiner Weise herausfordert. Sie kostet nichts (mehr). Obgleich Emanzipationsbewegungen in ihrem Entstehen immer grundsätzlich auf eine Veränderung von Herrschaftsstrukturen zielten, gelang es den „westlichen“ Gesellschaften im Falle der Frauen-, der Schwulen- Lesbenbewegung - scheinbar reibungsloser als bei anderen sozialen Protestkulturen - sie ihres emanzipatorischen Kerns zu berauben, um sie als Fetische geschmeidig in die eigene Erfolgsgeschichte zu integrieren. Auch eine vollbärtige Diva konnte erfolgreich als selbstgestaltetes Kunstprodukt beim „Eurovision Song Contest 2014“ die Überlegenheit des „westlichen Wertesystems“, das im „Wert“ den Preis stets mitdenkt, verkörpern, so dass die, die seiner androgyn=vollklingenden Europahymne Applaus spendeten, meinten, sie urteilten gleichfalls fortschrittlich, als sie anschließend laut vier gerade erst der Adoleszenz entsprungene russische Sängerinnen ausbuhten. Denn Russland stellt – im medial vermittelten Kosmos - als Ganzes gerade bei diesem Themenfeld die Antipode schlechthin zur „westlichen Freiheit“ dar: Es steht für: Schwulen- Lesbenfeindlichkeit, für einen Mangel an geschlechtlicher Selbstbestimmung, für die muffige Unterdrückung freier individueller Selbstgestaltung; - alles begründet im publizierten Bild der autoritären Maskulinität seines Regenten, der freilich seit einigen Jahren unter dem Beifall völkischer Populisten eine Förderung der demographisch bevorzugten Kleinfamilie bei gleichzeitiger Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften öffentlich propagiert hatte. Ob er hierin erfolgreich blieb, wurde nicht diskutiert: Dass bereits die 5 russischen Punkte für Conchita Wurst bewiesen, dass ihm viele Russinnen Russen hier nicht folgten, blieb unbeachtet. Auch dass Schwule Lesben in Moskau oder Sankt Petersburg unendlich freier leben können als in Riad nahezu allen anderen arabischen Städten (alles eisenharte Partner der „Westens“) - und sicherlich nicht unfreier als in Istanbul, Kiew, Bukarest Sofia interessiert niemanden. Am Image, dem sich mit wenigen propagandistischen Effekten reflexartig Emotionen entlocken lassen, ändert dies nichts.

Eines der diskursiven Bausteine, aus denen sich dieses Russlandbild medial generieren ließ, war der öffentlichkeitswirksame Erfolg zweier schriller ‚radikalfeministischer‘ Phänomene, die unter dem Namen „Pussy Riot“ „Femen“ Furore machten. Beide Gruppen bestanden aus gut vernetzten barbusig auftretenden jungen Schülerinnen Studentinnen, ukrainische russische, welche optisch jederzeit als Models vorstellbar waren (passenderweise schaffte es ein deutscher Ableger der Fementruppe bis ins Finale von Heidi Klums „Germany’s Next Top Model“), die in ihrer optischen Kostümierung als Mixtur martialischer Punkladies osteuropischer Kriemhild=Verschnitte auftraten: Sexy, vulgär, in der Sprache martialisch, in der Tonlage zickenhaft=kreischend dezidiert anti=intellektuell. Nachdem erste unspektakuläre Protestaktionen sich Problemen wie den Defiziten der Wasserversorgung in Kiew oder dem Phänomen des Sextourismus widmeten, wurden die Protestaktionen schon bald spektakulärer zielten zunehmend auf Angriffsobjekte, die eine erstaunliche Kompatibilität zur medialen Begleitmusik „westlicher“ Geopolitik aufwies. Und genau dem entsprach auch das Medienecho, das sie erhielten.

Wenn die gesamte Palette (beispielsweise) deutscher österreichischer Leitmedien von der Zeit, über die Welt, die FAZ, TAZ, Süddeutsche, Bild, bis hin zur Kronenzeitung, von Alice Schwarzer bis Kai Diekmann barbusige vulgär schreiende Feministinnen frenetisch feiert, welche sich nackt auf Altären bedeutender Kirchen räkeln, dabei Priester Regierungschefs (vor allem Wladimir Putin) den Tod wünschen, bei diplomatischen Spitzentreffen führenden Politikern ins Ohr kreischen sich in Supermärkten Grillhähnchen vaginal einführen, ist dies …- auffällig. In der Vor=FemenPussy=Riot=Epoche hätte vermutlich jeder Leitartiklern der Bildzeitung der deutschen Justiz abverlangt, bei vergleichbaren Aktionen im Kölner Dom oder der Münchener Frauenkirche einer als unverfrorenes Sakrileg erachteten Performance mit der in Deutschland gesetzlich möglichen Höchststrafe (von 1-3 Jahren Haft) zu begegnen. Da stellt sich nun eindeutig die Frage: Warum ist dies bei „Femen“ „Pussy Riot“ anders?

Misstrauen erzeugten die rabiaten, sich selbst als solche bezeichnenden „Sextremisten“ vor allem bei Feministinnen Vertreterinnen der Genderforschung. Zu sehr kollidierte die vordergründige Radikalität ihrer in plakativen Imperativen gehaltenen Manifeste mit den zahlreich gestreuten Interview=Auftritten bei „westlichen“ Mainstream=Medien, wobei ihre gefällige Selbstdarstellung als neuer Amazonentypus eine professionelle PR- Beratung mehr als nur vermuten ließ. Zudem bot die offensichtliche emanzipatorische Substanzlosigkeit ihrer Forderungen einen scharfen Kontrast zur aggressiven Oberflächensymbolik ihrer öffentlichen Selbstinszenierungen. Anstatt die Interdependenz von Genderkonstruktionen Machtstrukturen zu thematisieren, ergießen sich Femen=Aktivistinnen in einer undifferenzierten Eliminationsrhetorik gegen alles Männliche - dies in einer militaristisch martialisch Körperkraft verherrlichenden Terminologie, die allemal mehr auf die Kampfformeln der völkischen Rechten verweist als auf die Sprache der historisch gewachsenen Emanzipationsbewegungen Europas: In den öffentlichen Begründungen ihrer skandalträchtigen Happenings, die sich stets bei Anlässen ereignen, die reichliche Kamerapräsenz garantieren, wimmelt es nur so von Verben wie „säubern“, „reinigen“ „vernichten“; die propagierte Vorstellung der Wirkungsdauer ihres Schaffens erfolgt traditionell=völkisch gleich in Milleniumsdimensionen; denn Femen begreift sich als „Gründer einer neuen Welle des Feminismus des 3. Jahrtausends.“ Gleichfalls dem völkischen Arsenal der vorletzten Jahrhundertwende (von 1900) entspringt das „Symbol der Organisation – ein Blumenkranz, der den Kopf kühner Frauen [ großmäulig expansiv:] auf allen fünf Kontinenten schmückt.“ Und in dem „Femen-Manifest“ auf ihrer Homepage erklären sie sich zu „moralisch und körperlich fitte[n] Soldaten“, begnadet mit der „Fähigkeit, die Probleme der Welt zu fühlen, sie mit nackter Wahrheit und bloß liegenden Nerven zu schlagen“, da sie kraft ihrer fotogenen physiologischen Ausstattung, „jede Zelle [ihres] Körpers für einen unnachgiebigen Kampf“ nutzen wollen, besonders im Blitzlichtgewitter der Masenmedien. „Femen – das sind heiße Brüste, ein kühler Kopf und saubere Hände“, die lediglich die Auskunft darüber schuldig bleiben, welchen Zielen dieser Kampf nun eigentlich konkret dienen soll. In den Proklamationen der selbsternannten „Demokratie-Wachhunde“ finden sich indes außer gelegentlich utopisch vorgreifenden Rekursen auf ein absichtlich diffus=nebulös gehaltenes „Matriarchat“ nur lustvolle Zersetzungsphatasien, die kaum auf eine als oppressiv nachgewiesene Gesellschaftsordnung, sondern vielmehr psychologisch auf das Nervenkostüm empirischer Männer zielen: „Femen – ist die neue Amazone, die fähig ist, die Fundamente der patriarchalischen Welt mit ihrem Intellekt, ihrem Sex, ihre Wendigkeit, ihrem Unordnung-Machen zu untergraben, indem sie der Männerwelt Neurose und Panik bringt“. 

[Zitiert nach: http://www.zeitgeist-online.de/exklusivonline/dossiers-und-analysen/964-enthuellt-femen.html]

Sehr deutlich fällt dann auch die Bekundung deutlicher Befremdung durch aktive Feministinnen aus, wie dies unter anderem der folgende Blogspot belegt:

Unser Problem mit Femen

Auf Titelseiten von BILD bis EMMA springen sie uns entgegen: die Femen: barbusige Frauen, die ihre nackte Haut als Werbetafeln für ihren Kampf gegen das Patriarchat gebrauchen und damit paradoxer Weise den Geschmack des empörten Mainstreams treffen. Oberstes Gebot der Aktivistinnen scheint dabei eine bildgewaltige mediale Präsenz zu sein. Über ihre Anstrengungen aufregende Bilder zu produzieren haben Femen übersehen, dass ihr skandalträchtiger Aktionismus zum reinen Selbstzweck verkommen ist.

Denn fundierte, nachvollziehbare politische Inhalte hinter ihren auf körpermaße verkürzte Slogans liefern Femen leider nicht und bekommen dennoch einen roten Teppich für ihre non-Botschaften ausgerollt.  
Sie bezeichnen sich dreist als „neue“ Feministinnen. Doch ihre einzige Utopie scheint dabei die Schaffung eines Matriarchats zu sein. Ihre Antwort auf patriarchale Unterdrückung lautet nicht Gleichberechtigung, sondern schlichtweg Streben nach Macht. Die Abwertung und Ausgrenzung von Menschen, die nicht dem von ihnen verinnerlichten westlichen Schönheits- und Weiblichkeitsideal entsprechen, nehmen sie gerne in Kauf – sie haben die perfiden Marktlogiken verinnerlicht und machen sich selbst in ihrem Machtkampf zu Objekten. 
[http://femen-germany.blogspot.de/2013/05/unser-problem-mit-femen.html]

Vor allem aber fügen sich die martialischen Kampfauftritte der markigen Amazonen so auffallend nahtlos in die ideologische Bestellung des medialen Kampffeldes, das einer expansiven Geopolitik des „Westens“ die Zustimmung der „westlichen“ Bevölkerung sichern soll. Denn neben wenigen Happenings, die der Diskreditierung des Islams dienen sollten, von dem die halbnackten „Sextremisten“ herzlich wenig bis gar nichts verstehen, stellt das prädestinierte Hassobjekt erster Güte „Putins Russland“ dar, wie allein das folgende Zitat aus einem „Femen“ gewidmeten Artikel Franziska Becks auf Zeitgeist online belegt:

„Wie sieht die Arbeit von Femen im Dienste konkreter strategischer US-Interessen in der Praxis aus? Dazu einige Beispiele: Die Gruppe löste im Oktober 2010 einen diplomatischen Skandal aus, als sie den in Kiew auf Besuch weilenden Wladimir Putin überraschten, indem Femen-Soldatinnen neben einer Lenin-Statue blank zogen, sich die ukrainische Flagge um den Leib schlangen und Parolen schrien, er solle sich nicht in die ukrainische Politik einmischen: „Die Ukraine ist nicht Alina.“ Femen spielte dabei auf Gerüchte an, Putin besitze eine Geliebte, will sagen: Putin, du besitzt die Ukraine nicht. Die Organisation wurde seither in den Medien als „formidable pressure group“ wahrgenommen.24

Eine Wiederannäherung Russlands und der Ukraine zu verhindern, ist seit langem erklärtes US-Ziel. Die US- und westliche Presse für den derzeitigen russophilen ukrainischen Präsidenten Janukowitsch ist dementsprechend schlecht.

Viel zivilisierter hatte sich Femen bei einem Besuch der US-Außenministerin Hillary Clinton im Juli desselben Jahres in Kiew verhalten: Sie begrüßten Clinton zwar barbusig, doch sehr freundlich und beauftragten sie, doch bitte eine Petition für Frauenrechte während ihres Gesprächs mit Janukowitsch weiterzuleiten. Auf den Plakaten, die sie hochhielten, war zu lesen „Hillary help“ und „Teach our President“.25 An dieser Stelle wird man über die ungleiche Verteilung der Sympathien wohl nicht mehr verwundert sein …

Eine Wiederannäherung Russlands und der Ukraine zu verhindern, ist seit langem erklärtes US-Ziel

Doch Femen war noch steigerungsfähig. Auf dem Russland-EU-Gipfel in Brüssel im Dezember 2012 griffen die hysterischen Amazonen Putin frontal an: „Deal with the devil“, „Putin go home“ und „Democracy apocalypse“ war auf ihren Körpern zu lesen. „Femen ruft die Führer der Europäischen Union dazu auf, sofort die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte mit der Diktatur des Gazprom-Kremls abzubrechen.“ Der „apokalyptische Zwerg“ Putin müsse aus Brüssel „vertrieben werden“.

„Femen warnt die Eurobosse , dass die Abhängigkeit von den Gazprom-Pipelines Europa den wirtschaftlichen Kollaps bringen wird, die Abschaffung der Visa für Russen bedroht Europa mit einem kulturellen Armageddon und politisches Appeasement gegenüber Putin bedroht die Zollunion.“26 Ein primitives Pamphlet, sicher, aber eben auch ein Widerhall US-amerikanischer, strategischer Ziele in Femen-Brutalo-Sprache formuliert. Die sonst so freizügigen „Femenistinnen“ möchten für ihre ehemaligen Landsleute sogar die Freizügigkeit innerhalb Europas verhindern und die Visapflicht beibehalten! In der Tat: eine formidable Pressure-Group! [http://www.zeitgeist-online.de/exklusivonline/dossiers-und-analysen/964-enthuellt-femen.html]

Im Falle der mit „Femen“ verschwisterten Gruppe „Pussy Riot“ liegt der Zusammenhang von öffentlichkeitswirksamen Auftritten und dem „Russland“-Bashing „westlicher Medien“ noch deutlicher auf der Hand. Die 2011 als Punkband gegründete Gruppe, die jedoch als solche musikalisch nie in die öffentliche Wahrnehmung trat, begann mit ihren spektakulären Auftritten erstmals im Zuge der russischen Präsidentenwahlen im Oktober 2011. Weltweite Aufmerksamkeit erlangten die Aktivistinnen, deren Name im Deutschen mit „Muschi-Aufstand“ angemessen übersetzt ist, mit einer 41 Sekunden dauernden Nacktperformance in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau, dem zentralen Gotteshauses der Russisch-Orthodoxen Kirche, am 21.02.2012 . Sie betraten zu diesem Zweck den allein Priestern vorbehaltenen Ambo und führten auf dem Altar einen Nackttanz unter Ausrufung eines atheistischen „Punk-Gebets“ auf, das in einer Youtube-Fassung mit dem folgenden Text eingespielt wurde:

Mutter Gottes, Du Jungfrau, vertreibe Putin!

Vertreibe Putin, vertreibe Putin!

Schwarzer Priesterrock, goldene Schulterklappen - Alle Pfarrkinder kriechen zur Verbeugung.

Das Gespenst der Freiheit im Himmel.

Homosexuelle werden in Ketten nach Sibirien geschickt.

Der KGB-Chef ist Euer oberster Heiliger, er steckt die Demonstranten ins Gefängnis.

Um den Heiligsten nicht zu betrüben müssen Frauen gebären und lieben.

Göttlicher Dreck, Dreck, Dreck! Göttlicher Dreck, Dreck, Dreck!

Mutter Gottes, Du Jungfrau, werde Feministin, werde Feministin, werde Feministin!

Kirchlicher Lobgesang für die verfaulten Führer - Kreuzzug aus schwarzen Limousinen.

In die Schule kommt der Pfarrer, Geh' zum Unterricht - bring ihm Geld.

Der Patriarch glaubt an Putin.

Besser sollte er, der Hund, an Gott glauben.

Der Gürtel der Seligen Jungfrau ersetzt keine Demonstrationen - Die Jungfrau Maria ist bei den Protesten mit uns!

Mutter Gottes, Du Jungfrau, vertreibe Putin!

Vertreibe Putin, vertreibe Putin!

[Übersetzte Fassung nach:] http://www.ceiberweiber.at/index.php?type=reviewarea=1p=articlesid=2479

Dass die (geo)politische Wirkung des anschließende Prozesses den Aktivistinnen völlig klar war, belegen ihre weltweit in Zeitungsartikeln zitierten und bei Wikipedia aufgeführten Aussagen:

 In ihrem Schlusswort sagte Jekaterina Samuzewitsch:[39]

„Normalerweise wird erwartet, dass Angeklagte im Schlusswort Reue zeigen, die begangene Tat bedauern oder mildernde Umstände aufzählen. Bei mir und bei meinen Kolleginnen ist das absolut unnötig. […] Wieder einmal sieht Russland in den Augen der Weltgemeinschaft anders aus, als Wladimir Putin es bei seinen täglichen internationalen Begegnungen darstellen möchte. Alle von ihm versprochenen Schritte auf dem Weg zum Rechtsstaat sind ganz offenkundig nicht vollzogen worden.“

Nadeschda Tolokonnikowa erklärte:[39]

„Im Grunde genommen wird in diesem Prozess nicht über die drei Sängerinnen der Gruppe Pussy Riot verhandelt. Wäre es so, dann hätten die Vorgänge hier absolut keine Bedeutung. Dies ist eine Verhandlung über das gesamte Staatssystem der Russischen Föderation, das zu seinem eigenen Unglück in seiner Grausamkeit gegen die Menschen, seiner Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Ehre und Würde, so gern das Schlimmste zitiert, was in der russischen Geschichte je geschehen ist. Diese Imitation eines Gerichtsverfahrens kommt dem Muster der ‚Gerichtstroiken‘ der Stalinzeit nahe.“

Marija Aljochina sagte:[39]

„Wir sind nicht schuldig, davon spricht die ganze Welt. Sie spricht davon auf Konzerten, im Internet, in der Presse. Und sie spricht davon in Parlamenten. […] Nachdem ich fast ein halbes Jahr im Untersuchungsgefängnis verbracht habe, ist mir klargeworden, dass das Gefängnis Russland im Miniaturmaßstab ist.“ [https://de.wikipedia.org/wiki/Pussy_Riot]

Dass es sich bei diesen medienwirksamen Frauenkombos jedoch keineswegs um eigenständig in ihren Herkunftsländern entstandene Phänomene handelt, die die „westliche Presse“ in ihrem Gefolge zahlreiche Vertreter der „politischen Elite“ zum eigenen Nutzen lediglich funktional umwidmeten, sondern dass hinter ihrer Entwicklungsgeschichte ein dichtes US-amerikanisches Netz  von Förderern steht, belegen umfassende Untersuchungen unabhängiger Wissenschaftlerinnen und Journalistinnen, deren Arbeit in den unten angeführten Artikeln ausgiebig dargelegt wird. In dieser Betrachtung jedoch, die sich auf die Analyse medialer Strategien der Diskreditierung Russlands konzentriert, soll dies nur kurz angesprochen werden:

„Femen“ wurde 2008 von Anna Hutsol, einer ukrainischen Ökonomin Managerin im Show Business gegründet. Nach Recherchen in dem bereits zitierten Beitrag von Franziska Beck soll Hutsol zahlreiche Schulungen im Rahmen eines Leadership Programms des vom US-Concress 1999 gegründeten vollständig von ihm finanzierten Open World Programms absolviert haben. Die osteuropäischen Zöglinge werden dort nach Kriterien entsprechend der Zielsetzung des NEDs (=National Endowment for Democracy=die ideologische soft-power Abteilung der CIA) ausgewählt: Hierzu Franziska Beck:

Ein großer Pool prominenter US-Regierungsbehörden und internationaler NRO nominiert die meisten Kandidaten. „Die Finalisten werden durch ein Komitee ausgesucht, dass hauptsächlich aus dem Stab von US-Botschaften besteht”, so Open World. Die Finanzen werden (neben privaten Spenden) fast ausschließlich vom US-Kongress bereitgestellt; in den Jahren 2009 und 2010 erhielt Open World jeweils 8,7 bzw. 8,1 Millionen Dollar.“

[http://www.zeitgeist-online.de/exklusivonline/dossiers-und-analysen/964-enthuellt-femen.html]

Nachdem die Aktivistinnen von „Femen“ zusätzlich nach einer spektakulären Solidaraktion mit den Schwestern von „Pussy Riot“ zunächst aus Kiew, dann aus der Ukraine nach Paris zogen, erhielten sie dort Schützenhilfe der Huffington Post-Journalistin Galia Ackermann, die für ihren Hass auf „Putins Russland“ bekannt war. Hier brachte sie die Gruppe auch in Kontakt zu einem Zirkel ehemals linker, in den 90ern aber zu der Agenda von US-Neocons konvertierter russische Exilanten umfassender Intellektueller, denen unter anderem Bernard-Henry Levy Daniel Cohn-Bendit angehörten (weshalb es sich hierin auch gleich um eine Kontaktlinie zu den Grünen der Heinrich-Böll-Stiftung handeln dürfte). Durch sie soll Hutsol auch mit dem millionenschweren Medienmagnaten Jeff Sunden bekannt geworden sein, der als bekannter Förderer der „Orangenen Revolution“ die Aktivistinnen ab April 2010 gefördert haben soll. Kurz: Es dürfte inzwischen wenig Zweifel daran bestehen, dass die Entwicklung des Medienphänomens „Femen“ Pussy Riot“ von US-Institutionen gefördert, geschult finanziert wurden.

Doch wie hängt dies mit der medialen Darstellung des aktuellen Ukraine-Konflikts zusammen, in dem es doch um nichts weniger geht als um Genderkonflikte in der ukrainischen Gesellschaft?

Der aktuelle Meinungskampf um die Ukraine ist eben weniger ein Informationskampf in dem Sinne, dass für das Handeln desjenigen Agenten, mit dem die Medienkonsumenten sich gefälligst identifizieren sollen (nämlich die „Regierung in Kiew“ als Bündnispartner „des Westens“), etwa durch Präsentation lancierter positiver Daten zu Gunsten Kiews, geworben werden soll, sondern er ist eine gezielte weit hinter die Ereignisse auf dem Majdan zurückreichende Kampagne zur umfassenden Delegitimierung von „Putins Russland“. Dies ist aber auch kaum verwunderlich: Denn welche positiven Identifikationsmuster bietet schon eine durch einen Putsch zur Macht gekommene „Regierung“, die sich aus Oligarchen rechten Milizionären zusammensetzt, deren Mitglieder dem Massenmörder Stephan Bandera Denkmäler setzen, zur „Vernichtung“ ethnischer Russen im eigenen Land aufrufen, hierbei von notwendigen „Säuberungen“im Osten der Ukraine sprechen, davon träumen, Russland in „verbrannte Erde“ zu verwandeln die dennoch von den USA der EU hierfür subventioniert werden? Und diese Kampagne, die Hilary Clinton kürzlich als „Kampf um die Köpfe“ bezeichnete, zielt primär auf das westliche Publikum – mit teilweise nachweislichem Erfolg. So werden Kritiker der westlichen Ukrainepolitik in den Onlineportalen der „Qualitätspresse“ von linientreuen Mitforisten als „Putin-Versteher“ oder „Putinisten“ beschimpft. Legt so ein Kritiker etwa die logischen Ungereimtheiten in „westlichen“ Narrativen um den Absturz eines malaysischen Passagierflugzeugs dar, ohne Russland und seinen Regenten Wladimir Putin überhaupt erwähnt zu haben, so mag er sich die Augen reiben, wenn er folgende Repliken erhält: „Ich wundere mich über die ganzen Putinisten im Forum. Ob sie als Schwule auch in Moskau leben wollten? Oder doch lieber in New York oder London?“; „Die Putler-Fans im Forum muss man gar nicht ernst nehmen. Sie erkennt man daran, dass sie grundsätzlich nie zur Sache argumentieren. Es wurde inzwischen nachgewiesen, dass es sich um vom Kreml finanzierte Tolle handelt.“ Oder: „Die Putin-Versteher sollen doch nach Putistan gehen, wo Leute wegen ihrer politischen Meinung, etwa weil sie Feministen sind, in Gulags gesteckt werden.“

Die mediale Reflexion des Politischen hat sich mal wieder, gemäß der Freund-Feind-Dichotomie Carl Schmitts, auf das simplizistische Tableau einer vulgarisierten aristotelischen Tragödie verkürzt. Zum Feind wird, wer den wahren Arimann nicht erkennt. „Femen“ „Pussy Riot“ haben ihren „Job gemacht”: „Mission accomplished, Myladies.“

 

Sekundärquellen und weiterführende Artikel:

Wikipedia: Pussy Riot

https://de.wikipedia.org/wiki/Pussy_Riot

Wikipedia: Femen

https://de.wikipedia.org/wiki/FEMEN

Friederike Beck: Enthüllt: Femen

http://www.zeitgeist-online.de/exklusivonline/dossiers-und-analysen/964-enthuellt-femen.html

Unser Problem mit Femen

http://femen-germany.blogspot.de/2013/05/unser-problem-mit-femen.html

Uwe Ness: Was die Band Pussy Riots mit Guantanamo und Syrien zu tun hat

http://www.uweness.eu/zu-pussy-riot.html

Alexander Bader: Wie Bilder wirken. Pussy Riot, Timoschenko, Obama und Putin

http://www.ceiberweiber.at/index.php?type=reviewarea=1p=articlesid=2936

Alexander Bader: Pussy Riot - Feministinnen oder Schachfiguren

http://www.ceiberweiber.at/index.php?type=reviewarea=1p=articlesid=2479

Alexander Bader: Wer hinter Pussy Riots steht_

http://www.ceiberweiber.at/index.php?type=reviewarea=1p=articlesid=2478

Alexandra Bader: Wenn Femen entlarvt werden

http://www.ceiberweiber.at/index.php?type=reviewarea=1p=articlesid=2800

Alexandra Bader: Femen und der Feminismus

http://politropolis.wordpress.com/2013/06/07/femen-und-der-feminismus/

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Via: freitag.de


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