Eine rote phrygische Mütze ist kein gewohntes Kleidungsstück für Femen-Aktivistinnen. Sie sind mehr durch ihre Nackt-Proteste bekannt. Nun probiert Femen-Gründerin Irina Schewtschenko die Mütze doch auf, denn die Blondine wurde als Vorlage für die „Marianne“ auf der neuen französischen Nationalbriefmarke ausgewählt. Das entsprechende Porträt wurde am Sonntag vom französischen Präsidenten Francois Hollande im Elysee-Palast feierlich enthüllt. Die als Nationalsymbol verehrte „Marianne“ verkörpert Freiheit und die französische Republik.
Was hat die aus der Ukraine stammende Oben-ohne-Protestgruppe eigentlich mit dem französischen Volk zu tun? Die Aktivistinnen setzen sich vehement für Frauenrechte ein, bezeichnen sich jedoch nicht als Feministinnen. Im vergangenen Jahr haben sie im Laufe dieses Kampfes beispielsweise ein orthodoxes Kreuz in Kiew abgesägt. Sie kämpfen international gegen Prostitution, Sexualbelästigung und Pädophilie, aber auch für die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen.
Im Jahr 2012 versuchten sie sogar, eine französische Kundgebung gegen Homo-Ehen zu vereiteln. Damals ließ sich die Frauengruppe in Frankreich registrieren. Die Zeitung „Le Figaro“ setzte Schewtschenko später auf ihre Top-20-Liste der „Frauen des Jahres“. Der Experte Sergej Fjodorow vom Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften kommentiert:
„Frankreich präsentiert sich immer als Land, das um die Menschenrechte besorgt ist, und will seine Spitzenposition auf diesem Gebiet beweisen. In Bezug auf die Femen-Ausschreitungen kann man zwar provokative Momente sehen, politische Motive haben in diesem Fall aber Vorrang. Frankreich macht sich offenbar keine Sorgen darüber, wie seine Entscheidung in anderen Ländern, darunter auch in Russland, wahrgenommen wird“.
Um das neue „Marianne“-Porträt zu bestimmen, musste Präsident Hollande unter 15 Anwärterinnen wählen. Schewtschenko erfuhr von ihrem Sieg aus der Presse. Sie betrachtet das nach eigenen Worten als angenehme Überraschung:
„Ich kann das nicht als Akzeptanz für die FEMEN-Gruppe in Frankreich betrachten. In diesem Land gibt es sehr viele Gegner der Frauenrechte. Der Kampf hat für uns Vorrang. Dass eine FEMEN-Aktivistin für die neue französische Nationalbriefmarke gewählt wurde, betrachten wir als angenehme Tatsache, aber auch als riesige Herausforderung an diejenigen, die keinen Kampf für die Frauenrechte wollen. Natürlich werden wir unsere Proteste in Frankreich fortsetzen.“
Die jungen Künstler, die an dem Porträt arbeiteten, halten die neue „Marianne“-Gestalt für sehr attraktiv. Das sei eine Sammelgestalt, die zu keiner konkreten Epoche gehöre, sagt der 33-jährige Fotograf und Kämpfer für Homo-Rechte Olivier Ciappa. Die Hände entsprächen dem realistischen Stil der Renaissance und die Augen seien im Stil französischer Comic-Serien und amerikanischer Zeichentrickfilme aus den 1950er Jahren gezeichnet.
Präsident Hollande lobte: „Die Jugend ist für meine Präsidentschaft von hoher Priorität, und diese Briefmarke ist ein Beleg dafür.“ Juri Rubinski, Leiter der Frankreich-Studien am Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, sagt allerdings, die Entscheidung von Hollande sei kaum an jungen Menschen orientiert:
„Die Mitstreiter der Sozialisten im Wahlkampf und im Parlament wie die Front de gauche, die Kommunisten und die Grünen-Partei EELV stehen solchen Bewegungen sehr nahe. Die Positionen der reagierenden Mehrheit im Land sind dabei instabil. Es gibt deutliche Differenzen zwischen den Sozialisten und den Linksextremen. Selbst wenn das Kabinett ihren Losungen nicht zustimmt, kann man nicht umhin, ihnen zuliebe Gesten zu machen.“
Zuvor wurde das französische Frauensymbol durch viele prominente Schönheiten wie Brigitte Bardot, Mireille Mathieu und Catherine Deneuve inspiriert. Im Jahr 2012 übernahm Sophie Marceau diese Rolle.
Via: german.ruvr.ru
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