Femen: Nackt auf dem Altar des Kölner Doms

von Birgit Kelle

Soll mal einer sagen, Frauen wüssten nicht ihren Körper einzusetzen.

Josephine Witt hat sich ausgezogen. Auf dem Altar des Kölner
Doms. In der Weihnachtsmesse am 25. Dezember. Wir feiern die Geburt Jesu. Es
war zudem der Geburtstag von Kardinal Meisner, der die Messe zelebrierte. Es
sollte wohl ein ganz besonderer Geburtstagsgruß werden.

Fräulein Witt wollte damit gegen das Machtmonopol und die
Ausgrenzung bestimmter Gruppen durch die katholische Kirche protestieren, gab
sie diversen Medien anschließend zu Protokoll. Und da gerade Köln als Hochburg
der Katholiken in Deutschland gelte und Meisner für eine sehr konservative
Ausrichtung stehe, hat sie sich diese Messe ausgesucht.

Meisner reagierte souverän. Segnete den Altar neu ein und
betete in der Messe für die junge Dame, die sich auf Englisch (die
internationale Presse soll schließlich auch bedient werden) die Wörter „Ich bin
Gott“ auf die nackten Brüste gemalt hatte und diese irrige Annahme auch laut in
die Kirche brüllte. Gibt’s dagegen nicht auch etwas von Ratiopharm?

Nippelgate im Dom

Immerhin, wir wollen das wenigstens lobend erwähnen, auch
diesmal alles richtig gemacht. Nackte Brüste ziehen einfach immer. Nippelgate
im Dom, das gibt genug Presse. Zumal in einer Medienwelt, die von Bildern
bestimmt wird. Waren die Ziele der weiblichen Exibitionist_Innen-Riege bislang
eher internationaler Natur, so rückt Deutschland offenbar näher ins Visier für
ihre Nackteinlagen. Ist ja auch viel einfacher und sicherer hier.

Während man in Russland Gefahr läuft, in Straflagern zu
landen, oder in Tunesien auch mal einen Monat im Gefängnis sitzt, wie von Frau
Witt schon erfolgreich erprobt, ist es in Deutschland risikoärmer. Hier stellt
man einfach Strafanzeige gegen die Menschen, die einen dann gewaltsam vom
Schauplatz tragen. Einer habe ihr in den Intimbereich getreten, sagte sie der
„Bild“.

Ja wirklich, man hat ihr offenbar Unrecht angetan.
Schließlich hätten die Herren, die sie schreiend und strampelnd aus der Kirche
trugen auch einfach einmal höflich bitten können, ob es ihr nicht zu viele
Umstände bereite, die Kirche wohl wieder zu verlassen. Ganz sicher wäre sie der
Bitte doch nachgekommen. Schließlich hat sie doch gezeigt, dass ihr die Meinung
der anwesenden gläubigen Männer und Frauen wirklich wichtig ist. Hat sie nicht
auch irgendwie den Diskurs gesucht durch ihre nackte Ansprache auf dem Altar?
Ein Herr aus der zweiten Reihe sah sich auch gleich angesprochen, eilte vor und
verpasste ihr eine Ohrfeige. Ich nehme an, er braucht jetzt einen guten Anwalt.
Kollege Schmitz? Haben Sie schon ein Mandat?

Zuspruch per
Mausklick

Einfach war auch das Ziel katholische Kirche. Da sind die
Claqueure sicherer. In den sozialen Netzwerken sind jetzt schon genug vorhanden
mit unheimlich viel Verständnis. Mit vollem Magen vom Weihnachtsbraten und
ausgeruht von den Festtagen, die man zwar nicht feiert, aber dennoch gerne
nutzt, lässt sich der nackten Revolution gerne per Mausklick beipflichten.

Ja, die katholische Kirche ist immer ein gutes Ziel und
wirklich einfacher als beispielsweise eine jüdische Synagoge. Zumal in Deutschland.
Oder gar eine Moschee, da könnte man ja zum Frauenbild auch einiges sagen. Ob
die Herrschaften dort auch so viel Verständnis hätten für eine Störung eines
ihrer höchsten Feste und die Entweihung ihrer Räume und anschließend ein Gebet
gesprochen hätten für sie? Mir fällt da spontan eher wieder Russland ein.

Ich bin Josephine Witt einst begegnet in einer TV-Runde.
Sehr süß mit Blümchen im Haar. Das ist neben den nackten Brüsten ein
Markenzeichen der Femen. Die Blumen fehlten auch nicht auf dem Foto, das mir
vor ein paar Monaten eine 48-Stunden-Sperre bei Facebook einbrachte. Darauf
eine Femen-Dame, die in einer Hand eine bluttriefende Sichel hielt und in der
anderen die abgeschnittenen Eier eines Mannes. Sag’s durch die Blume … nur
diese blutige Sichel störte doch ein bisschen die Ästhetik. Aber macht nichts,
manche meiner Facebook-Freunde hatten sie am Bildrand gar nicht entdeckt, sie
waren in der Mitte an den Brüsten hängen geblieben.

Aufmerksamkeit, egal
wie

Vor der Sendung hatte ich noch überlegt, ob Frau Witt wohl
plant, sich auch in dieser TV-Aufzeichnung auszuziehen. Sie hat es nicht getan
und ließ sich stattdessen von Alice Schwarzer den Arm tätscheln. Ja, der
Nachwuchs ist endlich da. Nach der Sendung haben wir uns noch lange unterhalten.
Auch über die katholische Kirche, der ich als Frau freiwillig beigetreten bin
vor zwei Jahren und in der ich mir noch nie diskriminiert vorgekommen bin.

Sie hat es nicht verstanden. Sie hatte, fürchte ich, auch
meinen Einwand, dass Brüste blank ziehen für die Würde der Frau in etwa einem
Grillfest für die Einführung des Veggie-Day entspräche, ebenfalls nicht ganz
verstanden. Was zählt, ist allein mediale Aufmerksamkeit. Egal mit welchen
Mitteln. Und da sind wir wieder am Anfang. Blanke Brüste ziehen immer.

Sie erzählte, wie einfach die Aktion gegen Putin auf der
Messe in Hannover war. Keine Kontrollen, gar nichts, einfach Eintrittskarte
gekauft und dann im passenden Moment die Kleider vom Leib reißen, die so
gewählt werden, dass man sich ihrer leicht entledigen kann. Wer will schon im
Rollkragenpullover stecken bleiben, wenn Putins Leibwächter die Schusswaffen
ziehen? Ja Mensch, was haben wir gelacht. Und wie praktisch die Bemalung auf
dem Körper sei. Zitat: „Schilder kann man einem aus der Hand reißen, das kann
keiner wegnehmen.“

Muss man sich mit den Femen politisch auseinandersetzen?
Nein. Ich unterhalte mich gerne auf Augen-, nicht auf Brusthöhe. Ich kann mit
Nackten auf dem Altar nichts anfangen. Und ich weiß auch gerne, mit wem ich es
zu tun habe. Wer sind diese Frauen, wer finanziert sie? Die
Philosophie-Studentin aus Hamburg, die mal so für eine Protestaktion nach
Tunesien fliegt? Gerne wird von den Damen angegeben, sie würden durch Spenden
und Verkauf von Merchandise-Artikeln finanziert. Wie viele T-Shirts mit
Brustabdrücken muss man eigentlich verkaufen für einen Flug nach Tunesien? Und
dann die Anwälte, was das alles kostet.

Ein deutsches Spendenkonto findet sich jedenfalls nicht auf
der Homepage von Femen Deutschland. Gerne würde ich doch eine Spende los, damit
die Damen sich eine Bluse kaufen können, schließlich ist doch Winter.
Stattdessen im Impressum von Femen Deutschland ein Mann. Kostyantyn Bazanov,
zusammen mit Leonid Garb im Vorstand des Rugolok e.V. Das sind jetzt schon zwei
Männer. Wie, keine Frau? Kein Femen e.V.?

Abhängig und
verängstigt?

Das passt zur der Femen-Dokumentation der australischen
Filmemacherin Kitty Green, die jahrelang mit den Femen gereist ist und bei den
Filmfestspielen in Venedig in diesem Jahr ihr Ergebnis präsentierte unter dem
Titel „Die Ukraine ist kein Bordell“. Auch dort spielt ein Mann die Hauptrolle.
Viktor Swjazkij, der sich selbst vor laufender Kamera als „Patriarch“ der
Gruppe beschreibt. Die Mädchen selbst erzählen, wie er sie anschreit. Die
„Süddeutsche Zeitung“ schreibt in ihrer Filmkritik: „Er brüllt herum,
erniedrigt seine Aktivistinnen, beschimpft sie für ihre Feigheit, erinnert sie
an die Dollarzahlungen, die sie bekommen haben. Und die Frauen geben
schließlich vor der Kamera zu, wie abhängig und verängstigt sie zum Teil sind,
auf welche absurde Weise die interne Machtstruktur der Gruppe deren offizieller
Ideologie widerspricht – eine verwendet sogar die Wörter „Sklavin“ und
„Stockholm-Syndrom“.

Ach Mädchen, habt ihr das wirklich nötig? Männerfantasien zu
bedienen und das als sexuelle Befreiung der Frau zu verkaufen? Ihr protestiert
also gegen Heidi Klums Show, weil sie die Frau auf ihr Äußeres degradiert und
zieht euch dafür nackt aus? Also noch mehr Nacktbilder von Frauen, die um die
Welt gehen. Männer, die glotzen. Ja, da hattet ihr in Berlin vor dem
Barbie-Haus doch wirklich der ganzen Familie was geboten. Während Mutti mit den
Töchtern drinnen schminken war, konnte Vati draußen mit den Söhnen nackte
Brüste gucken. Gruppensex-Aktionen vor laufender Kamera als politischer
Protest? Das stellt ihr euch also als die selbstbestimmte Sexualität von Frauen
vor? Immerhin, ihr habt erkannt, dass die weibliche Anatomie als Waffe einfach
unschlagbar ist. Ihr habt aufs Neue bewiesen, dass Frauen in der Tat sehr gut
in der Lage sind, ihren Körper und ihre Sexualität einzusetzen, wenn es ihnen
nutzt. Wem nutzt ihr?

Dieser Artikel
erschien zuerst auf dem Blog von „The European“.

30. Dezember 2013

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