Am vergangenen Wochenende versammelten sich in mehr als zehn französischen Städten über 100.000 Gegner der so genannten Homo-Ehe. In der französischen Hauptstadt Paris gingen am Samstag 70.000 Menschen und am Sontag nochmals einige tausend Personen mit Parolen wie „Ich brauche eine Mama und einen Papa" auf die Straße. Sie demonstrierten gegen die Einlösung eines Wahlversprechens von Präsident Francois Hollande, dessen Regierung Anfang November ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht hat. In dem Entwurf für die „Ehe für alle" wird homosexuellen Paaren ein Adoptionsrecht eingeräumt. Dies ist neu. Eine Lebenspartnerschaft (PACS) können Homosexuelle in Frankreich bereits seit 1999 eintragen lassen.
Über die nationalkonservativen und religiösen Motive solcher Proteste muss man kaum noch ein Wort verlieren. Keine dieser Proteste erfolgte ohne Beteiligung der katholischen Kirche. Exemplarisch der tumbe Kommentar eines Vertreters der katholischen Organisation Civitas:
Die Homosexuellen-Ehe ist die Büchse der Pandora, die dazu führen wird, dass andere die Mehr-Ehe oder Inzest-Heiraten fordern.
Dass hier vor allem streng religiöse Organisationen hinter den Protesten stecken, macht allein die Tatsache deutlich, dass sich selbst die rechtskonservative Oppositionspartei UMP nicht an den Protesten beteiligte.
Erschreckend ist die Gewaltbereitschaft der homophoben Masse, die sich nicht scheuten, die protestierenden Gegendemonstranten der Frauenrechtsgruppe Femen zu verprügeln. Zweifellos wissen die Aktivistinnen von Femen, wie man spektakuläre Bilder erzeugt. Barbusig haben sie vor Pariser Ministerien protestiert und in der Ukraine und in Russland immer wieder gegen den Einfluss der orthodoxen Kirche auf die Politik aufmerksam gemacht. Anna Gutsol, die Anführerin der Gruppe, ist in Russland zur persona non grata erklärt worden. In Deutschland hatten Aktivistinnen der Gruppe kürzlich in einem IKEA-Markt protestiert, um auf die "chauvinistische" Geschäftspolitik des Möbelhauses in Saudi Arabien aufmerksam zu machen. In Paris hielt Inna Shevshenko, ebenfalls eine der Führungsfiguren der Gruppe, erst kürzlich einen Vortrag an der renommierten Eliteuniversität Science Po. Erst Mitte September hatte Femen in Paris ein eigenes Büro eingerichtet. Die Gruppe gilt als die neue feministische Guerilla, deren Anhängerschaft nicht nur täglich wächst, sondern der es wie kaum einer anderen Gruppe gelingt, in die Medien zu kommen.
Doch das, was die Frauen am Sonntag erlebten, dürfte auch für sie neu gewesen sein. Die Frauen hatten sich als Nonnen verkleidet unter die Demonstranten gemischt. Als sie ihre Oberkörper entblößten, auf denen Sprüche wie „In Gay we trust" oder "Gay is okay" standen und weiße Farbe aus Flaschen, auf denen „Sperma" stand, versprühten, gingen zahlreiche der homophoben Demonstranten auf die Frauen los.
Im Netz kursieren Bilder von wutschnaubenden und teils vermummten Männern, die tretend und schlagend auf die barbusigen Frauen losgehen. Blutende Nasen und Lippen, verschmierte Gesichter, geschundene Körper – all das sieht man auf den Bildern von Femen. Auf einem knapp vierminütigen Video sieht man, wie die Frauen zur Demonstration stoßen, um diese zu stören. Sie werden umgehend attackiert. Es folgen viele verwackelte Seancen, die Frauen werden abgedrängt. Schließlich sieht man auch, wie die Ordner der Proteste auf die Frauen einschlagen und die das Ganze dokumentierenden Kameramänner bedrängen. Was man auch sieht sind die sichtlich unter Schock stehenden Frauen. Mit so viel Aggression haben sie nicht gerechnet. Inhaftierungen und Staatsgewalt, das alles kennen Sie bereits, aber einen wilden, von der Leine gelassenen Mob nicht.
Mutmaßlich wurden einigen Frauen Zähne ausgeschlagen und Nasen gebrochen. Die Angreifer wurden inzwischen identifiziert, die Femen-Aktivistinnen werden heute nachmittag polizeilich untersucht.
Die französische Regierung zeigt sich derweil von den Protesten ungerührt und will das Gesetz im Januar behandeln.
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