"Lick Femen’s Ass"

"Jetzt müssen alle Homophoben, Extremisten, Faschisten meinen Arsch lecken, wenn sie einen Brief verschicken wollen". Wer hätte gedacht, dass Briefmarken in unseren Tagen großes Kino machen?

Natürlich in Frankreich. Dort gibt es eine National-Ikone namens Marianne. Als Büste, Statue oder auf Bildern ist sie in Rathäusern, auf öffentlichen Plätzen und eben auch auf Briefmarken zu sehen. Ihr Gesicht wird alle paar Jahre ausgetauscht. Zum diesjährigen Nationalfeiertag, dem 14.Juli, enthüllte Staatschef Hollande das neue Konterfei von Marianne (vgl. dazu die alte Briefmarke).

Wie der Zeichner der neuen Briefmarke alsbald verriet, war das Vorbild diesmal eine Femen-Frau, Inna Schewtschenko, die sich mit ihrem eingangs zitierten Twittereintrag femisch gebührend bedankte. Die Satirezeitschrift Charlie Hebdo setzte dies schnell in eine Karikatur um: Lick Femen's Ass.
Anderen gefällt der verspielte Witz - laut Wikipedia gehört der blanke Busen zu Marianne, was eine Gemeinsamkeit mit Femen nahelegt – weniger. Unter den ersten, die Missfallen äußerten, gehört die rechtskatholische Exministerin Christine Boutin, die bereits im Kulturkampf gegen die gleichgeschlechtliche Ehe mehr Traditionsbewusstsein einklagte: "Bei der Ehe geht es um die Hoffnung auf eine Geburt. Die Ehe hat mit Liebe überhaupt nichts zu tun." Die christdemokratische Partei, die sie anführt, ruft zu einem Boykott der Briefmarke auf.

Der Briefmarkenzeichner Olivier Ciappa hat sich "cette fabuleuse Femen" Inna Schewtschenko als Modell für die neue Marianne ausgesucht, weil sie am besten die Werte der Republik verkörpere, nämlich: liberté, égalité und fraternité. Zu denen, so Ciappa, gehöre auch integral der Feminismus. Und Femen gehöre zum Feminismus. Ciappa erhält nun Morddrohungen. Ohne Briefmarke, per Mail und Twitter.

Im Land, in der die Semiologie mit Roland Barthes große, kulturell weitausstrahlende Erfolge hatte, gibt es natürlich auch Expertisen, die den politischen Disput vertiefen. Die Semiologin Elodie Mielczareck, die sich dieser Aufgabe unterzieht, widerspricht in ihrer Analyse dem Zeichner.

Die Werte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit würden bei dieser Marianne gegenüber anderen Signalen deutlich in den Hintergrund treten, so Mielczareck. Das Zeichensystem, das bei der neuen Briefmarke referentiell herangezogen werde, sei das eines Comics (franz "bande dessinée"). Entsprechend sei die neue Marianne mit erregenden weiblich Attributen gezeichnet, als Klischee, das weniger mit liberté, égalité und fraternité zu tun habe, als vielmehr mit Dornröschen oder Barbie. Da die Marianne aber auf der neuen Briefmarke keinen entblößten Busen zeigt, kommt Mielczareck etwas in Bedrängnis, um das sexistische am Bild herauszuheben. Den Ausweg findet sie, indem sie die "großen Pixel", die sie auf der orangen Briefmarke findet, als subtile Anspielung auf Sexfilme versteht, die samstagnachts auf Canal plus laufen. Die Briefmarke, so folgert die Semiologin, sei eine Schande für eine Regierung, die vorgibt, die Rechte der Frauen zu verteidigen.

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Via: heise.de


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