Serie Stimmen Russlands: "Viele Frauen finden Putin toll"

Wladimir Putin ist ein Macho, sagt Irina Khanova von Femen. Sie erklärt seinen Erfolg in Russland und warum die russische Gesellschaft noch so patriarchalisch ist. Ein Interview von Christian Spiller

Femen bei einer Protestaktion gegen Waldimir Putin im April 2013 in Hannover

Femen bei einer Protestaktion gegen Waldimir Putin im April 2013 in Hannover  |  © Jochen Lübke

ZEIT ONLINE: Frau Khanova, haben Sie schon ein
wenig Wintersport geschaut?

Irina Khanova: Nein, früher ja, heute nicht
mehr. Weil ich weiß, auf wessen Kosten Sotschi entstanden ist: die des Volks. Keiner der normalen Leute profitiert von Sotschi. Viele wurden
aus ihren Wohnungen vertrieben, die Arbeiter bekamen Hungerlöhne. Die
Olympischen Spiele sind wie Sankt Petersburg. Auch das sieht teilweise wunderbar
aus, aber wurde auf Knochen errichtet.

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Irina Khanova

Irina Khanova ist 33 Jahre alt und Grafikdesignerin. Sie ist Mitgründerin von Femen Deutschland, einer feministischen Protesgruppe. Sie wuchs in Russland, im Ural auf und kam vor zehn Jahren nach Deutschland.

ZEIT ONLINE: Das berichten viele westliche Medien. Und werden von vielen dafür kritisiert, einseitig zu
sein.

Khanova: Die Kritik im Westen ist
einseitig, aber auf eine andere Art. Es geht vor allem um das
Anti-Homosexuellen-Gesetz. Aber es gibt noch viel mehr
Menschenrechtsverletzungen. Putin hat die bekanntesten Gefangenen, also Chodorkowski
oder Pussy Riot, kurz vor den Olympischen Spielen freigelassen. Aber im
Gefängnis sitzen noch viele Unbekannte, die friedlich auf der Straße
demonstriert haben. Das blendet der Westen aus.

ZEIT ONLINE: Sie sind Feministin: Wie geht es
den Frauen in Russland im Vergleich mit den Frauen in Deutschland?

Khanova: Es ist ähnlich. Die Gesellschaft
ist so patriarchalisch geprägt, dass auf Frauen im Haushalt eine zweite
Vollzeitstelle wartet. In den meisten Familien ist es unmöglich, diese
Struktur zu durchbrechen, sie trägt Russland. Auch die Kirche spielte dabei eine
große Rolle. Aber das Schlimmste ist: Darüber wird nicht diskutiert. Es ist nicht möglich, in einer gleichgeschlechtlichen
Partnerschaft oder ohne Kinder zu leben. Da wird man verspottet. Da kommt Druck aus der Gesellschaft.
Und er kommt von oben.

Olympia bei ZEIT ONLINE

Ein Mann fotografiert die Olympischen Ringe

© Mark Humphrey/AP/dpa

Auf unserer Olympia-Seite finden Sie alles über die Olympischen Winterspiele in Sotschi: Meldungen, Berichte, Bilder, Fotostrecken und unseren Live-Ticker mit allen Zahlen, Daten und Fakten rund um die Spiele.

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Stimmen Russlands

Jeden Tag interviewen wir eine der vielen Stimmen Russlands. Sei es ein Kreml-Kritiker oder ein Putin-Fan, bei uns dürfen sie sagen, was sie über die Olympischen Spiele denken.

Bisher erschienen:

Wladimir Kaminer (Autor)
Alexander Walow (Sotschi-Blogger)
Victoria (Volunteer)

Olympia-Blog

Unsere Reporter Steffen Dobbert und Christof Siemes bloggen regelmäßig ihre Erlebnisse und andere Wunderlichkeiten aus Sotschi. Und jeden Tag sammeln wir hier die Olympia-Schnipsel, die kuriosen Seiten der Olympischen Spiele 2014.

ZEIT ONLINE: Sind Russen Machos?

Khanova: Die meisten.

ZEIT ONLINE: Ist Putin ein Macho?

Khanova: Auf jeden Fall. Das sieht man
doch daran, wie er sich inszeniert. Mal oben ohne auf dem Pferd. Mal küsst er
ein Kind oder geht jagen oder streichelt Tiere. Viele Frauen finden ihn toll,
er ist wie ein Popstar. Sie sehen aber nicht, was das wirklich bedeutet. Was
die Russen in jedem Fall schätzen: Er hat Stabilität gebracht. Plötzlich muss niemand
mehr drei Monate betteln, um sein Gehalt zu bekommen. Das ist ein Fortschritt.

ZEIT ONLINE: Kann man dann nicht verstehen,
dass viele Russen sagen: Na gut, das mit den Menschenrechten haut vielleicht
nicht alles hin, aber insgesamt geht es uns so gut wie noch nie. Da ist doch
eine gute Entwicklung.

Khanova: Die aber ziemlich langsam ist. Putin wäre in der Lage, diese Entwicklung zu beschleunigen, indem er nicht mit seinen
blöden Gesetzen stört, die er sich ausdenkt. Das Problem in Russland ist nicht,
dass Homosexualität verdammt wird, sondern dass Leute, die etwas anders sind,
Probleme bekommen. Du kannst ein heterosexueller Mann sein, aber einfach nur
nicht so Macho-mäßig aussehen, etwa lange Haare haben. Dann wirst du schon
angegriffen.

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Via: zeit.de


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