Es war ein Aufschrei, der durchs Land ging.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle soll eine Journalistin nachts an der Hotelbar bedrängt haben. Darüber diskutierte Deutschland zu Beginn des Jahres. Was folgte, war ein heftiger Streit über Macho-Gehabe und die Opfer-Rolle der Frau in der Gesellschaft.
Knapp drei Monate nach der Enthüllung griff Sandra Maischberger das Thema noch einmal auf und fragte in ihrer Talkshow: „Die Sexismus-Debatte: Was hat sie gebracht?“
Die Talkrunde
Zu Gast in Maischbergers TV-Studio waren: Alice Schwarzer, Publizistin, Heiner Lauterbach, Schauspieler, Birgit Schrowange, Moderatorin, Jan Fleischhauer, „Spiegel“-Journalist, Anna-Katharina Meßmer, „Aufschrei“-Aktivistin, Birgit Kelle, Autorin, Klara Martens, „Femen“-Aktivistin und Anna K., Hotelangestellte und Sexismus-Opfer.
Der Sexismus-Talk
Wo hört ein Flirt auf und wo beginnt Sexismus? Der Schauspieler Heiner Lauterbach ist für seinen früheren ausschweifenden Lebensstil bekannt. Drogen, Alkohol, Frauen: Lauterbach ließ nichts aus. Heute bezeichnet er sich als treu, die Debatte um angeblich abfällige Äußerungen des FDP-Fraktionschefs kann er trotzdem nicht verstehen. An Stelle der Reporterin hätte er mit den Augen gerollt und sich gedacht: „Mein Gott, ist das ein Depp.“
Auch die Frauen-Rechtlerin Alice Schwarzer meint, dass ein Flirt auf Augenhöhe in Ordnung sei. Problematisch werde es, wenn der Mann versucht, die Frau zu dominieren.
So wie es bei TV-Moderatorin Birgit Schrowange passiert ist: In Maischbergers TV-Studio berichtet sie von ihren Anfangsjahren im Journalismus. Ihr Vorgesetzter habe sie sexuell bedrängt, doppeldeutige Anmerkungen gemacht. Schrowange zog die Reißleine, wies den Chef zurück – und fiel in Ungnade.
Ein heftiges Beispiel, das nicht für die Mehrheit der Männer stehe, findet „Spiegel“-Journalist Jan Fleischhauer. Über Sexismus werde immer nur berichtet, wenn Frauen die vermeintlichen Opfer seien. So habe in jedem Portrait über den damals neuen Regierungssprecher Steffen Seibert gestanden, wie gut er doch aussehe – ohne dass sich daran jemand gestört habe.
Für Katharina Meßmer von „Aufschrei“ hinkt dieser Vergleich. Sie meint, dass überwiegend Frauen von sexuellen Übergriffen betroffen sind. Und Frauen werden abgewertet, wenn man von ihren Kompetenzen spricht und im gleichen Atemzug ihr Aussehen hervorhebt.
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Unterstützung erhält Fleischhauer von der konservativen Publizistin Birgit Kelle, die sagt, dass Frauen ihren Körper und ihre Reize sehr bewusst einsetzen – etwa um sich Vorteile im Beruf zu sichern. Außerdem gebe es keine genaue Definition, was Sexismus sei und wo er beginne.
Doch Sandra Maischberger bittet das Zimmermädchen Anna K. in die Runde, die von ihren Erlebnissen aus einem Hamburger Hotel berichtet: nackte Männer, die sie im Zimmer empfangen haben, Partys mit Prostituierten und immer wieder sexuelle Anspielungen. Anna K. hat den Sexismus im Alltag erlebt – in seiner extremsten Form.
Doch Publizistin Kelle bleibt dabei: ihr haben auch Männer geschrieben, die sich von Frauen belästigt fühlen. Etwa, wenn sich die Sekretärin bei der Weihnachtsfeier auf den Schoß vom Chef setzt.
Und Jan Fleischhauer findet: „Ihr Frauen seid keine Unschuldslämmer.“ So hätten sie auch ihre Form der Abwertung und Mechanismen, um Macht auszuüben – was Fleischhauer damit genau meint, sagt er allerdings nicht – und Sandra Maischberger hakt auch nicht nach.
Interessant ist Fleischhauers These, dass die Sexismus-Debatte die schwarz-gelbe Koalition stabilisiert habe. Denn dadurch habe FDP-Chef Rösler seinen härtesten Konkurrenzen verloren. Und heute sitze er fest im Sattel.
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Zum Schluss kommt noch die Femen-Aktivistin Klara Martens in die Runde.
Aktivistinnen der Organisation, die gegen die Unterdrückung von Frauen kämpft, sind auf der Hannover-Messe mit nacktem Busen auf Russlands Präsident Wladimir Putin zugestürmt. Eine Aktion, die notwendig war, findet Martens. Denn so würden die Frauen entscheiden, wann sie nackt sind und wie sie ihren Körper einsetzen – und nicht die Sex-Industrie, die von Männern beherrscht werde.
Und auch die Frauenquote in Aufsichtsräten reißt Sandra Maischberger noch kurz an; „Spiegel“-Autor Fleischhauer sieht darin eine „Eliten-Diskussion“. Im Gegensatz zu Alice Schwarzer, die für die Quote wirbt – zumindest dann, wenn sie für Frauen ist.
Klartext : Die Sexismus-Debatte im Schnelldurchlauf: Maischbergers Runde streifte viele Themen, ohne dabei in die Tiefe zu gehen. Zu viele Gäste saßen im Studio, sodass sich kein richtiges Gespräch entwickeln konnte. Die Frage, was nun bleibt, konnte die Runde auf jeden Fall nicht beantworten.
Via: bild.de
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