Tunesien: Wem hilft der Nacktprotest?

Für vier Monate muss Femen-Aktivistin Josephine Witt in Tunesien ins Gefängnis. Von einem "Hexenprozess" spricht ihr Anwalt. Doch es gibt auch andere Stimmen.

Diese Protestaktion brachte Josephine Witt in Tunesien für vier Monate ins Gefängnis.

Diese Protestaktion brachte Josephine Witt in Tunesien für vier Monate ins Gefängnis.

Als
Josephine Witt sich zum ersten Mal für ihre Überzeugung auszog, war
ihr das noch peinlich. Bei einer Demonstration der NPD in Berlin ging
die 19 Jahre alte Philosophiestudentin zum ersten Mal als Aktivistin
der Frauengruppe Femen auf die Straße. Sie ließ sich von ihren
Mitstreiterinnen eine Parole auf den nackten Oberkörper schreiben –
und zögerte. "Ich habe mich dann gefragt: Wie prüde bist du
eigentlich?", erzählt sie später. "Dann sind wir zur Demo
gegangen, ich habe meinen Mantel ausgezogen, bin über die Absperrung
geklettert und habe den Nazis ins Gesicht geschaut." Nach wenigen
Minuten wurde Witt von der Polizei festgenommen. "Trotzdem habe ich
mich befreit gefühlt", sagt sie. Zwei Monate später überraschte
sie den russischen Präsidenten Wladimir Putin bei seinem Besuch in
Hannover mit einem Nacktprotest, von Scham keine Spur mehr.

Das
war im April. Heute sitzt Josephine Witt wegen einer Femen-Aktion in
Tunesien im Gefängnis
. Mit zwei französischen Aktivistinnen reiste
sie Ende Mai nach Tunis, zog sich vor dem Justizpalast aus und
zeigte ihre Forderung: "Breasts feed Revolution!" – sinngemäß:
"Gebt der tunesischen Revolution die Brust!" Die Aktivistinnen
wollten mit der ersten Femen-Aktion in der arabischen Welt auf die
Verhaftung einer tunesischen Mitstreiterin aufmerksam machen. Wie die
meisten Femen-Proteste dauerte die Aktion nur wenige Minuten, bis sie
von der Polizei beendet wurde. Doch dieses Mal fiel die Konsequenz
härter aus als bei den Protesten gegen Wladimir Putin oder die NPD.
Josephine Witt wurde festgenommen und vor ein tunesisches Gericht
gebracht, am Mittwoch fiel das Urteil: vier Monate und einen Tag Haft
wegen "unzüchtigen Verhaltens".

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Kurz
vor der Reise nach Tunesien hatte Josephine Witt an ihrem Studienort
in Hamburg mit ZEIT CAMPUS über ihre politischen Überzeugungen
gesprochen und sich für das Cover des Magazins fotografieren lassen.
Die Ausgabe erscheint am kommenden Dienstag. "Bei Femen geht es uns
um die Frage, wem in der Gesellschaft der Körper der Frau gehört",
sagt Witt im Interview. "Wenn wir nackt auf die Straße gehen, tun
wir das selbstbewusst und selbstbestimmt. Wir unterstreichen damit
die Kontrolle über unseren eigenen Körper." Die bevorstehende
Protestaktion in Tunesien erwähnte sie nicht.

Ein Gericht in Tunesien hat eine deutsche und zwei französische Frauenrechtlerinnen wegen eines Oben-Ohne-Protests zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Video kommentieren

Anwalt nennt Urteil "extrem überzogen"

Nun
erwarten sie mehrere Monate Gefängnis. Zwar sagte ihr Anwalt kurz
nach der Festnahme, es gehe Witt den Umständen entsprechend gut. Er
berichtete allerdings auch von schlechten hygienischen Zuständen.
Die Gefangenen hätten vor Ort keine Angehörigen oder Helfer, die
Essen oder Wechselkleidung ins Gefängnis bringen könnten. Zumindest
die Mitgefangenen würden die Aktivistinnen aber unterstützen.

Das
Urteil nennen die Verteidiger "extrem überzogen" und sprechen
von einem "Hexenprozess". Der tunesische Anwalt Souheib Bahri
deutet die Entscheidung der Richter als Eingeständnis an die
öffentliche Meinung in Tunesien. Vor dem Urteilsspruch hatte er sich
noch zuversichtlich gezeigt, dass der Richter eine unabhängige und
besonnene Entscheidung treffen werde. Inzwischen habe er Berufung
eingelegt, dürfe seine Mandantinnen bis zu einer Neuaufnahme des
Verfahrens aber nicht mehr im Gefängnis besuchen. "Es dauert jetzt
ungefähr zwei Wochen, bis das Datum für ein Berufungsverfahren
festgelegt ist", sagte er am Donnerstag.

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Via: zeit.de


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