„Ukraine Is Not A Brothel – The Femen Story”
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„Ukraine Is Not A Brothel – The Femen Story” in Venedig
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Sie sind die Amazonen des elektronischen Zeitalters: Femen! Mehr oder weniger hübsche jungen Frauen, die sich politisch engagieren und um ihren Botschaften Nachdruck zu verleihen, ihre Brüste herzeigen. Hat bestens funktioniert. Die Weltpresse hat sich auf sie gestürzt und mittlerweile ist wirklich alles über Femen gezeigt und gesagt. Und jetzt in Venedig auch noch ein Film über Femen. Oh Gott, dachten wir. Aber dann: jede Menge Überraschungen.
Flucht aus der Ukraine
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„Erst vor ein paar Tagen sind wir aus der Ukraine geflohen“, sagt Femen-Aktivistin Sasha Shevchenko bei der Pressekonferenz. „Wir sind glücklich, dass wir hier mit Ihnen reden können, an einem sicheren Ort. Vor ein paar Tagen waren wir in großer Gefahr. Wir wurden Opfer einer gewaltigen Attacke der Polizei und des ukrainischen Geheimdienstes.“
Die ukrainische Polizei hatte bei einer Razzia im Femen-Büro in Kiew eine Pistole und eine Handgranate gefunden. „Die wurden uns untergejubelt”, sagen die Femen. Ihnen drohen fünf Jahre Haft. Hier in Venedig bei der Vorstellung der Femen-Doku „Ukraine ist kein Bordell” gleich der nächste Hammer: Jahrelang wurde die Bewegung von einem Mann dominiert: einem gewissen Viktor. „Natürlich ist es paradox, wenn ein Mann eine feministische Bewegung anführt. Aber deswegen habe ich zu Beginn dieser Pressekonferenz auch gesagt: Das ist die Geschichte und die Wahrheit unserer Bewegung“, sagt Femen-Aktivistin Inna Shevchenko.
"Das ist doch ganz normal"
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„Ukraine Is Not A Brothel – The Femen Story” in Venedig
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Viktor war der Typ, den die Femen gefragt haben, wo es langgeht, sagt die Regisseurin Kitty Green: „Er war der Boss. Er hat entschieden, was die Frauen tragen, Shorts oder Jeans und was sie sich auf die Brüste schreiben.“ Viktor – ein unglaublicher Chauvinist. Wir zitieren ihn: „Frauen sind unterwürfig, haben kein Rückgrat. Ihnen fehlt vieles, politisch aktiv zu werden. Das muss man ihnen erst beibringen.” Man fragt sich: Warum haben sich Feministinnen jahrelang von so einem Typen schurigeln lassen? „Für uns Frauen in der Ukraine war es einfach normal, von einem Mann unterdrückt zu werden“, erklärt Sasha Shevchenko. „Wir haben uns dabei am Anfang gar nicht schlecht gefühlt. Wir haben uns einfach gedacht: Das ist doch ganz normal.“
Messias-Komplex
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Die Regisseurin Kitty Green wollte Viktors wahre Beweggründe herausfinden: „Ich habe ihn gefragt: ‚Hast du Femen gegründet, um mit den Frauen Sex zu haben?‘ Ich war erstaunt, wie ehrlich er darauf geantwortet hat. Er hat gesagt: Wahrscheinlich war das der Grund. Ich weiß, es ist schrecklich, aber das ist einer der Gründe, warum Femen existiert.“
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: die populärste feministische Bewegung der Gegenwart existiert auch deswegen, weil ein mittelgut aussehender Politikwissenschaftler hübsche Top-Model-Aktivistinnen ins Bett kriegen wollte. „Viktor hat eine Art Messias-Komplex“, sagt Green. „Er hält sich für Gott oder mindestens Lenin. Er will in die Geschichte eingehen. Er weiß ganz genau, wie Feminismus heute sein muss und wo er ihn auf diese sehr seltsame Weise hinbringen kann.“
Kampf gegen das Patriarchat
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Die Frauen haben sich, sagt Sasha Shevchenko, bewusst auf Viktor eingelassen. „Uns war klar, dass er sich politisch und in vielen anderen Dingen einfach viel besser auskennt. Wir wussten, dass wir ihn deshalb erst mal brauchen. Deswegen haben wir gemacht, was er uns gesagt hat.“
Der Kampf gegen das Patriarchat – gesteuert von einem Mann, der sich selbst als Patriarch der Femen bezeichnet. Klingt wie ein PR-Gag. Ist es aber nicht. Es ist die Wahrheit. „Vor einem Jahr haben wir mit ihm gebrochen. Er gehört nicht mehr zur Bewegung“, sagt Inna Shevchenko. Und Sasha Shevchenko ergänzt: „Kitty war dabei, als wir ihm gesagt haben, dass wir seinen Irrsinn nicht mehr aushalten, dass wir gegen ihn kämpfen werden. Dass wir ab sofort ohne Männer arbeiten.“
Eine unglaubliche Geschichte. Wir sind gespannt, wie die Femen weitermachen werden – ganz ohne Marionettenspieler.
(Autoren: Franz Xaver Karl / Matthias Leybrand)
Dieser Text informiert über den Fernsehbeitrag vom 08.09.2013. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
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