Vom Kind auf die Straße getrieben

Schuldig habe ich mich während meiner Elternschaft bisher nicht gefühlt, bis auf eine Ausnahme

Das Kind war trotz seines zarten Alters schon auf mehreren Demos. Ob es ihm gefallen hat, weiß ich nicht, mir jedenfalls nicht.

Warum das so ist? Der Zweifel an der Sinnhaftigkeit ist es wohl, der mir die Begeisterung für das politische Marschieren zunehmend vermiest. Millionen Menschen haben in den USA gegen den Irak-Krieg demonstriert. Das hat die EntscheidungsträgerInnen nicht interessiert. In Europa sind seit Monaten die Massen auf den Straßen, um gegen Sozialabbau zu demonstrieren. Ihre Durchsetzungsquote liegt in etwa bei etwa 0,0 Prozent.

Obwohl ich also weiß, dass demonstrieren nicht die größte Durchschlagskraft besitzt war ich im vergangenen Monat gleich auf zwei Demos. Bei der einen wurde gegen die Unterzeichnung des EU-Fiskalpaktes protestiert. Die zweite Demo war die "Zeltstadt der Frauen", die ob des orkanartigen Wetters in Wien nicht so groß wurde, wie eigentlich zu erwarten war.

Was ist also der Grund, dass ich seit meiner Mutterwerdung trotz geringerer Zeitressourcen und zwischenzeitlichem "was bringt's?"-Geröll in meinem Gehirn sogar öfter demonstrieren gehe als früher? Ganz einfach, weil ich denke, dass ich es meinem Kind schuldig bin.

Wenn mich mein Kind in 15 Jahren fragt, wie es damals zum EU-Fiskalpakt gekommen ist, möchte ich wenigstens sagen können, dass ich für eine Volksabstimmung in dieser Frage demonstriert habe. Und wenn es sich beklagt, dass die Zügel der Macht immer noch in Männerhänden liegen, dann will ich ihm sagen, dass wir anno dazumal ja immerhin den Ring besetzt haben.

Dass Mütter ihren Kindern "alles schuldig" seien, ist derzeit erfreulicherweise wieder ein bisschen ins mediale Gerede gekommen. Gegen vieles habe ich mich erfolgreich gewehrt, wie den Druck zu Stillen, dem Vorurteil, dass Kinder, die noch nicht gehen können in keine Krippe gehören oder das schlechte Gewissen, den Karenz-Vater zuhause veröden zu lassen, doch gegen die Angst vor dem Moment, meinem Kind einmal Rede und Antwort zu seinem politischen Erbe stehen zu müssen, ist bisher kein Kräutlein gewachsen. (dieMama, 8.6.2012)

Via: diestandard.at


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