Berliner Puppenkiste

Am Ende tut sich doch noch jemand weh, und im Mittelpunkt steht ein riesiger Damenschuh. Der pinke Pumps ist eigentlich ein Springbrunnen und das Wahrzeichen der Barbie Dreamhouse Experience - einem lebensgroßen Barbiehaus, das am Donnerstag seine Türen für den Publikumsverkehr öffnete. Bereits seit Wochen nehmen Protestgruppen Anstoß an dem neuen Themenpark - das Puppenhaus ist derzeit wohl das umstrittenste Bauwerk Berlins, nachdem es um den Pannenflughafen zuletzt etwas ruhiger geworden war.

Was gegen 13.45 Uhr vor dem Haupteingang geschieht, beschreiben Zeugen später so: Eine Aktivistin der Frauenrechtsgruppe Femen klettert auf den Riesenschuh, bekleidet nur mit einem Spitzenröckchen. Dabei reckt sie eine brennende Barbiepuppe in die Höhe, die an ein Holzkreuz gebunden ist - in unmittelbarer Nähe stehen viele Eltern mit kleinen Kindern. "Barbie sein ist kein Beruf!", schreit die Frau immer wieder.

Barbie-Haus in Berlin:
Tumulte am rosaroten Puppenhaus

Als sich ein Begleiter der Aktivistin einmischt und auch der Wachschutz eingreift, kommt es zum Handgemenge: Ein Kinderwagen kippt um, eine ältere Frau stürzt zu Boden. Die Seniorin soll sich laut Polizei leicht verletzt haben und später ins Krankenhaus gekommen sein.

Berlin ist nur der Auftakt

Was banal klingt, findet der Wachschutz der Barbie-Ausstellung überhaupt nicht zum Lachen. "Die standen da am Zaun und skandierten 'Brennt es nieder! Brennt es nieder'", sagt ein Mitarbeiter über die Demonstranten. Danach sei die Femen-Aktivistin mit der Fackel losgerannt. Er habe befürchtet, sie wolle das Gebäude anzünden.

Dazu muss man wissen, dass das Barbie-Traumhaus nicht etwa ein solides Gemäuer ist, sondern ein Zelt. Echt ist hier so gut wie nichts: Die pinken Wände sind aus flatternder Plane, die Zuckerbäckersäulen aus Plastik, die Fenster samt Gardinen nur aufgemalt.

Auf einer Freifläche in der Nähe des Alexanderplatzes hatte Veranstalter EMS Entertainment den Kleinmädchentraum errichtet: ein Themenpark in Rosa und Weiß; 12 Euro Eintritt für Kinder, Erwachsene drei Euro mehr. Berlin soll nur die erste Station einer ganzen Tournee sein, auf die diese Ausstellung geht. Noch bis August gastiert das Barbiehaus in Mitte.

Die Eröffnung hatten sich die Veranstalter allerdings sicher ganz anders vorgestellt. Bereits im Vorfeld hatten Protestgruppen Aktionen angekündigt. "Sexistische Propaganda" erwarte die Kinder in dem pinken Themenpark, klagte etwa ein Sprecher der eigens formierten Gruppe "Occupy Barbie Dreamhouse" in der "tageszeitung". Frauenfeindliche Klischees würden mit der berühmten Spielzeugpuppe und ihren Modelmaßen bedient, Mädchen und Frauen auf ihren Körper reduziert. Gut 2000 Mitglieder hat die Facebook-Seite, auf der die Anti-Barbiehäusler im Vorfeld zu einer Kundgebung aufriefen.

"Das ist einfach ein sehr eindimensionales Frauenbild"

Entsprechend groß fällt am Vormittag der Presserummel aus. Horden von Journalisten schieben sich durch das Barbiezelt, um sich einen Eindruck von der Ausstellung zu verschaffen, vor allem aber: um die wenigen Familien mit Kindern vor die Kameras zu bekommen, die es trotz Schule und Freibadwetter zur Barbie Experience verschlagen hat.

Was sie im Inneren des Zeltbaus erwartet, ist von ergreifender Harmlosigkeit. Eine pinke Küche, in der die Kinder an Touchscreen-Bildschirmen virtuelle Cupcakes backen können. Ein pinkes Klavier ohne Tasten, an dem man für Musik bunte Knöpfe drücken muss. Ein Schlitten, in den man sich hineinsetzen kann, um damit durch eine virtuelle Winterlandschaft zu sausen. Ein Tisch mit Stiften, an dem die Kinder Barbie-Bilder ausmalen und mit Glitzer verzieren dürfen. Und überall dazwischen, natürlich: Barbies, Hunderte, hinter Glas, in Vitrinen, alle mit schicken Kleidern und blond und superschlank. Ist das nun schlimm?

"In diesem Haus geht es nur um Schönheit und um Kochen und Backen", sagt Suse Bruha. Gemeinsam mit einem knappen Dutzend Sympathisanten der Protestgruppe "Pinkstinks" hat sich die 34-Jährige am Vormittag vor dem Portal des Barbiehauses aufgebaut, noch vor dem Zwischenfall mit der brennenden Puppe.

"Das ist einfach ein sehr eindimensionales Frauenbild", sagt Bruha über die Ausstellung. Vermittelt werde der Eindruck, als Mädchen könne man entweder Model oder Popstar werden - und sonst nichts. "Aber es gibt eben auch Mädchen, die vielleicht klein sind oder dick und die andere Sachen super können."

Interesse aus der ganzen Welt

Ganz anderer Ansicht ist da Christoph Rahofer, Geschäftsführer von Veranstalter EMS Entertainment. "Ich persönlich finde das total unpassend", sagt er über die Protestler, an denen sich am Morgen vereinzelt Eltern mit kleinen Kindern an der Hand vorbeischieben. "Ich kann nicht nachvollziehen, dass es Probleme mit sich bringen soll, mit einer Barbiepuppe zu spielen." Überhaupt: Es gebe doch sicher drängendere Probleme auf der Welt als seine Ausstellung.

Viel Kritik und Häme hatte Rahofer im Vorfeld für sein Puppenhaus-Projekt einstecken müssen - auch von SPIEGEL ONLINE. Entsprechend kitzlig gehen die Veranstalter mit den Pressevertretern um: EMS-Leute folgen ihnen im Haus auf Schritt und Tritt, Fotografieren ist an Barbies Himmelbett verboten, auch ihr Klo und ihre Badewanne sind für Bildaufnahmen gesperrt.

Tatsächlich sind Journalisten und Kamerateams aus der ganzen Welt gekommen, aus Polen, Italien, der Niederlande, Schweden, den USA. Alle wollen sehen, ob es im Barbiehaus tatsächlich so schlimm ist - und ob vielleicht draußen gleich noch was passiert, wo die Demonstranten stehen.

Lange passiert aber nichts. Bis zum Mittag halten nur die Pinkstinks-Leute ihre selbstgemalten Plakate in die Kameras. "Barbie is not my Baby" steht drauf, und: "Cupcakes nicht nur backen, sondern auch essen!"

Beinahe idyllisch ist die Szenerie da noch. Linke Demonstranten, Feministinnen und andere Anti-Barbiehäusler sitzen friedlich auf dem Kunstrasen oder auf pinken Gartenstühlchen und genießen die Maisonne; kleine Kinder krabbeln vergnügt auf dem Vorplatz herum.

Dann brennt die Barbie am Kreuz.

Via: spiegel.de


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