Femen: Mit nacktem Busen gegen Zuhälter, Menschenhändler und die Fußball-EM

Inna Schewtschenko, 21, ist jung, hübsch und hat sich schon oft für Fotografen ausgezogen. Die Blondine aus der Ukraine weiß genau, wonach Kameras verlangen. Doch das bekannteste Foto von ihr ist kein Poster in einem Herrenmagazin. Sondern das zweitbeste Porträt beim World Press Photo des Jahres (siehe S. 22).


Schewtschenko auf dem Cover des „Sunday Times Magazine“

Schewtschenko auf dem Cover des „Sunday Times Magazine“. Das Foto gewann den 2. Preis beim diesjährigen Weltpressefoto 2012

Inna ist eine Amazone, Körper und Kopf der ukrainischen Nacktivisten-Gruppe Femen. Dafür drohen ihr jetzt fünf Jahre Knast.

„Ich liebe das Foto“, sagt sie über das prämierte Bild. „Es zeigt das Frauenbild von Femen. Stolz und sexy, die Faust in der Luft.“ Inna sitzt in ultraknappen Hotpants auf einer Bank in einem Hinterhof von 
Kiew. Sie muss laut sprechen, der Sommerwind weht Baulärm herüber. Die mehr als 1500 Jahre alte Hauptstadt verändert sich mit der Brechstange, sie muss schnell schön werden für die anstehende Fußball-EM.

Anpfiff ist in gut drei Wochen, Femen hätten das Megaevent gern verhindert. „Durch die EM wird die Ukraine zum größten Bordell von Europa“, sagt Inna. Zwangsprostitution und Frauenhandel würden von den Behörden gefördert, Unsummen Schwarzgeld würden fließen. Ihr Fazit: „Alles Mafia!“

Wegen solchen Aussagen macht das Regime von Präsident Viktor Janukowitsch Jagd auf Femen. Die lauten Stimmen hinter den blanken Busen sollen verstummen. In einem Land, in dessen Regierung 29 Minister, aber keine Frauen am Kabinettstisch sitzen, beschränkt sich weibliche Mitsprache auf den Einkaufszettel.

Femen wollen damit schon lange Schluss machen. 2008 gingen sie zum ersten Mal – und noch bekleidet – gegen Korruption und für mehr Frauenrechte auf die Straße.

Zwei Jahre später zogen sie das erste Mal blank – und stellten fest, dass sich das Medieninteresse vervielfachte. Ab da starteten sie immer gewagtere Nackt-Aktionen. Und expandierten: Vor dem Eiffelturm in Paris wetterten sie gegen islamistischen Schleierzwang, auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos gegen das 
Finanzsystem, in Weißrussland gegen 
Diktator Lukaschenko.

In ihrer Heimat geht die Justiz jetzt hart gegen sie vor. „Zehn von uns sind als kriminelle Hooligans angeklagt“, erzählt Inna.

„Ich auch. Wenn ich schuldig gesprochen werde, muss ich für fünf Jahre ins Gefängnis.“ Sie versucht, die schwarze Wolke mit einem Lächeln zu vertreiben. „Aber das können die nicht mit uns machen. Das würde viel zu viel Aufsehen erregen. Wir stehen ja unter dem Schutz der internationalen Presse.“ Wenn sie da mal nicht irrt. Ex-Premierministerin Julia Timoschenko ist auf der ganzen Welt als Ikone der Orangenen Revolution 2004 bekannt. Im Gefängnis sitzt sie trotzdem, verurteilt in einem politisch motivierten Verfahren. Gegen ihre Haftbedingungen trat sie in den Hungerstreik.

Von Femen aber bekommt Timoschenko kein Mitleid: „Sie ist genauso korrupt wie die ganze politische Klasse der Ukraine“, so Inna.

Die junge Frau hat durch Femen schon viel verloren. Nach ihrem Journalismus-Studium in Kiew arbeitete sie im Pressestab des Bürgermeisters. Als ihr Chef herausbekam, dass sie bei den Nacktivistinnen ist, wurde ihr sofort gekündigt. „Ich habe einen gut bezahlten Job verloren, meine schöne Wohnung und viele Freunde. Meine Mutter hat nur noch geweint“, erinnert sie sich. Dennoch habe sie ihr Engagement nie infrage gestellt. „Ich habe mich als junge Frau in der Ukraine versklavt gefühlt. Ich hatte zwar Geld und Anerkennung – aber ich war nicht glücklich. Beim Kampf mit Femen habe ich mich gefunden.“

Anna Huzol, 27, klein und rothaarig, kommt über den Hinterhof. Gerade hat die Femen-Gründerin die Türe des neuen Büros gestrichen, feuerrot. Huzol hat mal ein paar Semester Wirtschaftswissenschaften studiert, jetzt ist Vollzeitaktivistin und Chefideologin der Bewegung. Sie vergleicht sich mit „einem General, der den anderen Soldaten zeigt, wie man kämpft.“ Es ist eine harte Sprache, die irritiert.

Inna ergänzt: „Wir sind in einem Informationskrieg. Und ich habe meine beiden Kanonen immer bei mir!“ Dann quetscht sie mit beiden Händen ihre Brüste unter dem engen T-Shirt.

Ist die Härte echt oder aufgesetzt? „Wir kämpfen gegen eine Welt, in der die Männer die Macht haben“, sagt Anna, ihre Hände unterstreichen das Gesagte in der Luft. Die Ukraine werde von Korruption zerfressen. Die rund 300 Femen-Frauen kämen zum Großteil aus einfachen Verhältnissen und seien es leid, trotz guter Ausbildung von Aufstieg und Selbstverwirklichung ausgeschlossen zu werden.

Aber hilft es dagegen, sich auszuziehen? Machen sich die Halbnackten mit den Modelfiguren nicht eher freiwillig zu Sex-Objekten?

Feministinnen in Westeuropa erheben diesen Vorwurf. Anna verneint das. Mit ihren Protesten würden sie die Männer nie aufgeilen, sondern schocken, einschüchtern oder provozieren: „Die denken dann: Verdammt, sie ist jung, sie hat nichts an, sie ist sexy. Sie gehört doch in mein Bett. Stattdessen steht sie hier auf der Straße und schreit mir ins Gesicht! Wir entziehen den Männern so die Kontrolle über unsere Nacktheit.“

So viele Bilder Femen auch erfolgreich in Zeitungen, Magazinen und Fernsehshows platzieren – manches hängt schief: Im Internet-Fanshop der Frauen können Anhänger sich Tassen und T-Shirts mit dem Femen-Logo kaufen. Es gibt auch Brustabdrücke der Mädchen auf Pappe zu bestellen, Kunden können ihre Lieblingsamazone frei auswählen. 17 Euro der Protestbusen. „Von mir wurden schon mehrere Hundert Stück davon verkauft“, kichert Inna. Jetzt wirkt sie eher wie ein Playboy-Bunny als wie Jeanne d’Arc.

Am 8. Juni beginnt die EM, Hunderttausende Fußballfans werden in die Ukraine reisen. Sie wollen ein Fest feiern. Inna, Anna und die anderen von Femen wollen die Party stören. Mit stolzer Brust und blankem Busen – gegen das Böse in ihrer Heimat.

Via: bild.de


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