"Nacktheit ist unsere Waffe"

Zuletzt aktualisiert: 22.09.2012 um 21:44 UhrKommentare

Zwei Aktivistinnen der "Femen"-Bewegung aus der Ukraine sorgen im steirischen herbst für erstes Aufsehen. Angezogen.

Sasha Shevtchenko (links) und Inna Shevtchenko (keine Verwandtschaft): mit Femen weltweit Aufsehen in Sachen Feminismus erregt

Foto © XpressSasha Shevtchenko (links) und Inna Shevtchenko (keine Verwandtschaft): mit Femen weltweit Aufsehen in Sachen Feminismus erregt

Blumenkränze, bare Busen: Seit die ukrainische Agitprop-Gruppe Femen halb nackt gegen Sexismus, Frauenhandel, Politwillkür, religiösen Fanatismus demonstriert, gehen ihre Bilder und Botschaften um die Welt. Bei einem Vortrag im herbst-camp erläuterten die Aktivistinnen Sasha Shevchenko (24) und Inna Shevchenko (22), warum es okay ist, dass Frauen noch immer ihren Busen zeigen müssen, um gehört zu werden. Im Interview wird nachgelegt.


Seit 2010 setzt Femen auf bloßen Protest. Was ist die stärkere Waffe - Nacktheit oder Öffentlichkeit?

INNA SHEVCHENKO: Genau die Verbindung von beiden. Denn man kann tun, was man will, ohne Kamera existiert man nicht. Deswegen achten wir immer auf das Bild, das wir bei unseren Aktionen kreieren: Das muss provokant, fröhlich, sexy sein. So haben die Leute viele Fragen beim Anblick unserer Bilder.

War der große mediale Widerhall für Sie eine Überraschung?

INNA: Ja. Eigentlich wollten wir nur eine neue Protestform ausprobieren.

Was ist der Zweck der Aktionen?

SASHA SHEVCHENKO: Der Kampf gegen das Patriarchat in den Ausprägungen sexuelle Ausbeutung, Religion, Diktatur.

Sie nennen Ihre Aktionen "Pop-Feminismus". Was ist denn falsch am klassischen Feminismus?

SASHA: Die Inhalte sind dieselben, die Form ist eine andere. Der klassische Feminismus hat seinerzeit um Gleichberechtigung gekämpft. Gleiche Rechte gibt es jetzt, aber die Dominanz der Männer ist nicht verschwunden.

INNA: Unsere Generation geht anders an Probleme heran. In unserem neuen Femen-Trainingscamp in Paris etwa tauchen oft junge Frauen auf, die erstmals für den Feminismus kämpfen wollen - weil das, was wir machen, nicht nur Intellektuelle anspricht.

Interessant, dass Sie den Feminismus aus seinem intellektuellen Korsett befreien wollen. Andererseits lassen sich mit bloßen Brüsten und schlichten Slogans doch nur begrenzte Resultate erzielen?

SASHA: FUCK dies! KILL das! Da schauen die Leute hin. Unsere Erfahrung sagt: Keiner will mit den Frauen diskutieren. Lange Manifeste und Diskussionen bringen uns also nicht weiter. Daher: Keep it simple! Keine von uns will nackt durch die Straßen laufen. Aber wir müssen das tun, um die Leute zu provozieren.

Ein Kritikpunkt an Ihrer Methode lautet: Der Oben-ohne-Protest beschäftigt doch vor allem die falsche Öffentlichkeit.

SASHA: Das ist die andere Seite der Medaille. Das lässt sich nicht leugnen, aber man kann es ignorieren. Und das tun wir.

INNA: Diese Kritik zieht nicht. Immerhin sitzen wir jetzt auch nicht hier, um Form und Größe unserer Brüste zu diskutieren. Wir reden über Fragen des Feminismus.

Manche macht der Umstand misstrauisch, dass sich bei Femen nur junge, blonde Schönheiten zu engagieren scheinen.

SASHA (lacht): Klar, es ist bei uns Pflicht, blond zu sein!

INNA: Vergessen Sie's! Diese Unterstellung macht mich wütend. Bei uns sind Frauen aller Altersgruppen und Körpermaße aktiv.

Wenn also die Medien nur die jungen, schönen Aktivistinnen abbilden, scheitern Sie aber mit der Übernahme der Kontrolle über das öffentliche Bild der Frauen?

SASHA: Nein, gerade deswegen arbeiten wir so! Die Macher in TV und Zeitungen sind mehrheitlich Männer. Wir geben ihnen, was sie sehen wollen: Skandal, Sex, Brüste usw. Wir bedienen Begierden, um sie zu unterlaufen.

Mitglieder von Femen wurden bei Aktionen in Weißrussland, in der Ukraine verprügelt, entführt, verhaftet. In Russland sitzen Mitglieder der Agit-Punkband Pussy Riot nach einem unfairen Prozess in Haft. Wieso ist der Protest in der früheren UdSSR so radikal, auch schonungslos gegen sich selbst?

INNA: Eine natürliche Reaktion auf die Zustände. In Österreich werden protestierende Frauen nicht geschlagen oder eingesperrt. Hier hat man vielleicht Gegner, aber keine Feinde. In Ländern wie Russland, Weißrussland, Ukraine ist Protest gefährlich. Aber wenn sie uns ins Gefängnis werfen, werden wir eben auch aggressiver. Man nimmt mehr in Kauf, das ist normal.

Werden wir hier eine Ihrer Aktionen erleben?

SASHA: Kein Kommentar. Aber wir bleiben noch eine Woche.



Via: kleinezeitung.at


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