Wahlen in Russland: Beobachter berichten von massiven Manipulationen

A woman casts her ballot in a mobile ballot box brought to her house in the village of Oktyabrskoye

A policeman detains an activist of Ukrainian group Femen at a polling station in Moscow

Presidential candidate Vladimir Putin votes

Begleitet von massiven Betrugsvorwürfen und Sicherheitsvorkehrungen hat
Russland einen neuen Präsidenten gewählt. Der Favorit, Regierungschef
Wladimir Putin, gab sich am Sonntag siegessicher, seine vier Mitbewerber
bereits in der ersten Runde zu schlagen. Repräsentative Umfragen sahen den
59-Jährigen in Führung. Die ersten Prognosen wurden nach Schließung der
letzten Wahllokale um 18 Uhr MEZ erwartet. Erstmals wurde die Abstimmung
praktisch flächendeckend mit Videokameras überwacht.

Die Zentrale Wahlkommission in Moskau sprach von einer regeren Stimmabgabe
als 2008. Gegen 12 Uhr MEZ lag die Wahlbeteiligung bei knapp 50 Prozent.

Die unabhängige Wahlbeobachterorganisation
Golos, die Oppositionspartei Jabloko und die neue Liga der Wähler beklagten
ähnlich viele Unregelmäßigkeiten wie bei der umstrittenen Parlamentswahl im
Dezember. Das Innenministerium wies die Vorwürfe zurück. Abgesehen von
kleineren, unbedeutenden Manipulationsversuchen verlaufe die Abstimmung
reibungslos, hieß es.

Eine interaktive Übersicht der
Fälschungsvorwürfe in russischer Sprache findet sich hier.

Nach Massenprotesten gegen den Sieg von Putins Partei Geeintes Russland bei
der Dumawahl hatte die Zivilgesellschaft diesmal eine nie dagewesene Zahl an
Beobachtern mobilisiert. Zehntausende wollten Wahlfälschungen verhindern.
Auch internationale Beobachter unter anderem von der Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) waren im Einsatz.

Blogger berichteten von angeblichen Betrugsversuchen im Raum Moskau. So seien
etwa Wähler-Gruppen von einem zum nächsten Wahllokal transportiert worden,
um immer wieder ihre Stimme abzugeben. Der Trick ist bekannt als
„Karussell-Methode“. „Wow, wir haben Karussells erwartet, aber nicht in
diesem Ausmaß“, schrieb Russlands wohl bekanntester Blogger Alexej Nawalni
auf Twitter.

Als letzter der Kandidaten gab der Ex-Geheimdienstchef Putin seine Stimme
ab. Seine Rückkehr in den Kreml, wo er bereits von 2000 bis 2008
regierte, gilt als sicher. Das russische Präsidentenamt ist eines der
mächtigsten der Welt. Zu den fast unbegrenzten Vollmachten den Kremlchefs
gehört auch die Gewalt über das nach den USA größte Atomwaffenarsenal.

„Ich habe ausgeschlafen, Sport getrieben, und bin dann hierhergekommen“,
sagte Putin nach Angaben der Agentur Interfax bei der Stimmabgabe.
„Natürlich rechne ich mit einer guten Wahlbeteiligung“, führte er aus. Seit
langem erschien er wieder einmal mit seiner Ehefrau Ljudmila (54).

110 Millionen Menschen an die Wahlurnen gerufen

Zu der Abstimmung in den insgesamt neun Zeitzonen des flächenmäßig größten
Landes der Erde waren 110 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen. Erstmals
konnten die Menschen wegen befürchteter Manipulationen die Abstimmung über
Internetkameras auf der Seite webvybory2012.ru live in den meisten der
landesweit 96 000 Wahllokale verfolgen. Das sei eine Weltpremiere, sagte
Wahlleiter Wladimir Tschurow.

Als erster Kandidat gab der Multimilliardär Michail Prochorow im Gebiet
Krasnojarsk in Sibirien seine Stimme ab. Der 46-Jährige war das einzige neue
Gesicht unter den Bewerbern. Mit im Rennen waren auch Kommunistenchef
Gennadi Sjuganow (67), der Ultranationalist Wladimir Schirinowski (65) und
der Linkskonservative Sergej Mironow (59).

Putins Mitbewerber hofften auf eine Stichwahl. Die Opposition hat aus
Protest gegen die aus ihrer Sicht unfaire Wahl und wegen mangelnden
politischen Wettbewerbs Massenkundgebungen angekündigt. Ihr Kandidat Grigori
Jawlinski war nicht zugelassen worden.

450.000 Sicherheitskräfte im Einsatz

Rund 450.000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz, um einen störungsfreien
Wahlverlauf zu garantieren. Die Anhänger Putins wollten noch am Wahlabend in
Moskau Massenkundgebungen zur Unterstützung ihres Kandidaten organisieren.

Putin durfte 2008 nicht bei der Kremlwahl antreten, weil die Verfassung nur
zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten zulässt. Er hatte damals seinen
politischen Ziehsohn Dmitri Medwedew für das Präsidentenamt vorgeschlagen.
Im Fall seines Sieges will Putin Kremlchef Medwedew in einem umstrittenen
Ämtertausch zum Regierungschef machen. Das Amt des Premiers ist dem des
Präsidenten untergeordnet.

Der Kremlchef wird nach einer Verfassungsänderung erstmals für sechs Jahre
gewählt, zwei Jahre länger als bisher. Amtsinhaber Medwedew hatte seinen
Verzicht auf eine neue Kandidatur mit der hohen Popularität Putins
begründet. Der neue Präsident soll im Mai sein Amt antreten. Dann ist auch
der Rollentausch geplant.

Fünf Frauen festgenommen

Für Wirbel am Rande der Abstimmung sorgte die vorübergehende Festnahme von
sechs Punk-Musikern nach spektakulären Protestaktionen gegen Putin. Die
vermummt auftretende Band Pussy Riot hatte unter anderem in der
Erlöserkathedrale und vor dem Kreml gegen Putin protestiert. Die Polizei
nahm am Samstag und Sonntag fünf Frauen sowie den Koordinator der Gruppe
vorläufig fest.

Von einer Wiederwahl Putins versprechen sich deutsche Unternehmen nach
Angaben der Außenhandelsgesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI)
Stabilität in ihren Geschäften mit dem größten Land der Erde. Putin habe als
Ministerpräsident in den vergangenen vier Jahren bewiesen, „wie ernst er die
Anliegen deutscher Firmen in Russland nimmt“, teilten die Standortwerber in
Berlin mit.

dpa/bee

Erschienen am
04.03.2012

Via: morgenpost.de


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